Zen und die Kunst, im Internet
zu surfen

Wie wir uns davor schützen können, uns in der digitalen Welt zu verlieren und sie als Treppenstufen für unsere eigene Bewusstseinsentwicklung nutzen können, das erklärt die Ärztin und Zen-Expertin Angela Geissler.

Vielleicht haben Sie sich schon einmal vorgenommen, nicht so oft auf Ihr Smartphone zu schauen und feste On- und Offlinezeiten zu planen, und festgestellt, wie schwierig das in der Praxis ist. Immer wieder juckt es Sie in den Fingern, das, was Sie gerade tun, zu unterbrechen und doch noch mal schnell die Mails zu checken oder einen Flug zu recherchieren. Willkommen im Club. Wenn wir keinen klugen Umgang mit den digitalen Geräten finden, werden wir mehr und mehr von der virtuellen Welt getrieben. Ein langes Gespräch, der lebhafte Austausch von Meinungen, kontroverse Gedanken erscheinen plötzlich nicht mehr attraktiv. So verringert sich nach und nach die geistige Flexibilität. Wer seine Zeit im Netz nicht begrenzt, nimmt sich die Chance, Langeweile zu empfinden und auszuhalten. Langeweile klingt zunächst wenig einladend, aber tatsächlich ist sie ein wunderbarer Nährboden für kreative Impulse.

Im Sog der Onlinewelt

Im Umgang mit digitalen Medien entwickelt sich bei vielen das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen. Dahinter steckt die Angst, sonst abgehängt zu werden oder etwas zu verpassen. Auf keinen Fall die neueste Folge einer Serie verpassen zu wollen. Vielleicht hilft uns ein Blick zurück, um uns etwas zu entspannen. Vor Kurzem war es nicht normal, dauernd erreichbar zu sein. Noch vor wenigen Jahren war es schlicht unmöglich, immer und überall erreichbar zu sein. Unsere Freunde konnten auch nicht sehen, ob wir ihre Briefe gelesen hatten. Das hat sich durch die Messenger-Dienste grundlegend verändert. Viele spüren einen Druck, gleich antworten zu müssen, weil das Gegenüber sehen kann, ob man gerade online ist.
Wenn Sie in sich den Satz vernehmen „Ich muss unbedingt sofort antworten“, können Sie sich vielleicht vor Augen führen, wie Menschen über Jahrtausende miteinander gelebt haben. Und sich einen kleinen Augenblick der Langsamkeit gönnen, der die Abhängigkeit von Likes und Klicks eindämmen kann.

Gönnen Sie sich digitale Pausen

Wenn wir uns keine digitalen Pausen gönnen, gehen wir schlechter mit uns selbst um, als Herrschaften früher mit ihren Dienstboten. Selbst Ankleidedamen, Hauswirtschafterinnen und Zimmermädchen, die in Filmen als immer verfügbare dienstbare Geister gezeigt werden, hatten freie Stunden oder Tage und mussten nicht immer verfügbar sein. Wir sollten uns nicht selbst unterjochen durch das Gefühl, immer online präsent sein zu müssen. Manche registrieren, dass sie unruhig werden, wenn sie ihr Smartphone vergessen haben, das WLAN ausfällt oder gerade keine Berieselung durch einen Film oder Radio möglich ist. Die Stille, die dann entsteht, kann beängstigend sein. Das zu bemerken ist schon der erste Schritt zu mehr Autonomie.

Zum Weiterlesen:

Angela Geissler, Zen und die Kunst, im Internet zu surfen, Nymphenburger Verlag, 20 Euro

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 5/2020

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