Frühkindliche Erlebnisse prägen unser Verhalten in späteren Partnerschaften. Doch selbst wenn unsere Kindheit nicht immer ideal war, können wir lernen, ungute Beziehungsmuster aufzulösen und eine tiefe, harmonische
Liebe zu leben.
Die meisten Menschen sehnen sich nach einer gelingenden Partnerschaft. Doch viele bleiben allein oder fühlen sich in ihrer Beziehung nicht glücklich. Da ist die Freundin, die sich immer wieder auf komplizierte Affären mit bereits gebundenen Männern einlässt, obwohl sie sich nichts mehr wünscht als traute Zweisamkeit. Die Nachbarin mit ihrer lautstarken On-Off-Beziehung, über die man dank dünner Trennwände mehr weiß, als einem lieb ist. Oder der Kollege, der gefühlsbetonte, überschwängliche Frauen fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.
Und hat nicht sogar der eigene Partner die seltsame Tendenz, nach einem besonders innigen Wellness-Wochenende, montagmorgens plötzlich scharf und verletzend zu werden? Die meisten, die einen mutigen Blick auf das eigene Paarungsverhalten wagen, stellen doch fest, wie schwer es fällt, die eigenen Bedürfnisse klar auszusprechen oder den anderen auch mal um Hilfe zu bitten.
Wie wir ungute Bindungsmuster auflösen
Sind wir alle Versager? Hoffnungslose Fälle? Beziehungsunfähig? Nein, sagt Diane Poole Heller, Traumatherapie-Expertin mit Schwerpunkt auf Bindungsstörungen. Menschen sind soziale Wesen. Der Wunsch und die Fähigkeit nach einer sicheren Bindung ist in uns allen biologisch verankert. Doch frühkindliche Erfahrungen können diese natürliche Gabe verändern oder sogar ganz verschütten. Schon in unserer Kindheit haben wir Überlebensstrategien entwickelt, indem wir unser Verhalten dem unserer Bezugspersonen anpassten. Genau diese Verhaltensweisen wiederholen wir dann als Erwachsene in unseren späteren Beziehungen – oft unbewusst.
Welcher Beziehungstyp bin ich?
Verdeckte Traumata und automatische Abläufe aufzuspüren ist daher eine Voraussetzung für eine erfüllende Beziehung mit uns selbst und unseren Mitmenschen. Als langjährige Schülerin von Peter Levine, der mit Somatic Experiencing eine körperorientierte Traumatherapie-Methode entwickelte, weiß Poole Heller, dass rein intellektuelles Erkennen nicht ausreicht, um positive Entwicklungen anzustoßen. Sie vertraut aber auf die Weisheit unseres Körpers, die es uns ermöglicht, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Heilung möglich wird.
In ihrem Buch „Tief verbunden“ stellt sie die Frage, was wir wirklich brauchen, um uns wieder geerdet und zentriert zu fühlen. Und wie es gelingen kann, mit uns selbst und anderen Verbindung aufzunehmen. Sie habe gelernt, „dass wir einen Schlüssel zur Beantwortung dieser Fragen finden können, wenn wir die Grundmuster der eigenen frühen Beziehungen (und jener der anderen) mitfühlend verstehen, dann bestimmte Eingriffe vornehmen und/oder maßgebliche korrigierende Erfahrungen machen, indem wir die Bindungstheorie in die Praxis umsetzen.“ Poole Heller unterscheidet vier Bindungstypen.
Das Ideal: Der sichere Bindungstyp
Dieser ideale Bindungstyp entwickelt sich, wenn Kinder von ihren Bezugspersonen Rückendeckung und Verständnis erhalten und Sicherheit und Geborgenheit erfahren. Mitfühlende Eltern geben dem Kleinkind Wurzeln und verleihen dem nach Unabhängigkeit strebenden größeren Kind Flügel. Wer das Glück hatte, in einem liebe- und respektvollen Umfeld aufzuwachsen, fühlt sich als Erwachsener sicher und selbstbewusst, betrachtet die Welt als freundlichen Platz und ist fähig, Liebe sowohl zu geben als auch zu empfangen. Auch wenn die wenigsten von uns in so einem Bilderbuch-Umfeld aufwachsen durften, bildet solch eine sichere Bindung doch das Grundmuster nach dem wir unsere Beziehungen gestalten sollten. Mag der Zugang dazu tief verschüttet und unerreichbar erscheinen, so ist doch unsere Fähigkeit, ihn wieder offenzulegen, immer vorhanden.
Zum Weiterlesen:
Diane Poole Heller, Tief verbunden, Kösel Verlag, 20 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 5/2020
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