Sissi Perlinger ist eine Pionierinn, wenn es darum geht, aus Konventionen auszubrechen. Die Kabarettistin und Schauspielerin steht für Persönlichkeitsentwicklung durch Kreativität, Selbstfindung und den Mut, anders zu sein. Wir sprechen mit ihr darüber, was es für sie heißt, ganz bei sich selbst zu sein.
Was bedeutet es für dich, ganz bei sich zu sein?
Wir leben in dieser modernen Welt in einem großangelegten Weglaufprogramm und Ablenkungsmanöver, und zwar vor der inneren Trauer und dem Tod. Bei sich zu sein heißt für mich, dass ich mich davon nicht runterziehen lasse, sondern eine solide Grundfrequenz habe, die diese Umstände um mich herum an mir abperlen lässt und dass ich meinen Ängsten entspannt und mit einem Lächeln dabei zusehen kann, wie sie kommen und gehen. Dafür ist es natürlich gut, wenn man trainiert hat, sich mit einigen Techniken immer wieder in eine gute Energie zu bringen. Lächeln ist der Königsweg, es verschafft Distanz, wenn man sich selber zum Zuschauer im eigenen Film des Lebens macht.
Geht es dabei auch darum, sein wahres Selbst zu finden?
Auf alle Fälle! Nur wenn man sich und seine Stärken und Schwächen ausgiebig eruiert und beobachtet hat, weiß man, was man braucht zum glücklich sein. Und ich glaube fest dran, dass das wahre Selbst, sobald man es gefunden hat, sehr, sehr glücklich ist.
Die Tierwelt zeigt es uns deutlich, dass es im Leben hauptsächlich ums Schmusen, sich gegenseitig Lausen und Spielen geht. Aber wir Menschen werden systematisch und mit allen Tricks unglücklich gemacht, damit wir konsumieren. Wir kompensieren unsere innere Unerfülltheit, die Ängste und Einsamkeit mit Klamotten, Essen und Statussymbolen. Darauf werden wir von klein auf konditioniert. Aber das ist der Weg in die innere Unfreiheit, weil wir für diese Dinge ständig arbeiten müssen. Wir werden ständig dazu angehalten uns anzupassen: „Die is toll, die is schick, nur so bist Du beliebt!“ Wir werden von uns selbst entfremdet und haben lauter falsche Vorstellungen vom Glück. Das ist leider genau das Gegenteil von diesem „bei sich ankommen“.
Wie schaffst du es trotzdem?
Ich komme Gott sei Dank aus einer anderen Zeit in der die Medien noch nicht so präsent waren. Wir hatten erst sehr spät einen Fernseher und ich wurde von meinen Eltern eigentlich total vernachlässigt. Das gab mir die Chance wirklich Ich selber zu werden. Ich bin als Kind stundenlang im Wald spazieren gegangen und habe schon sehr früh begriffen, dass ich völlig anders zu sein scheine als die anderen Kinder und dass das überhaupt nicht schlimm ist. Ich habe auch damals schon intuitiv begriffen, dass ich mir meine Sensibilität nicht aberziehen möchte. Meine Individualität und meine Beobachtungsgabe sind das Grundrüstzeug der Künstlerin in mir, die sich schon ganz früh bemerkbar gemacht hat. Das Potenzial in mir zu schützen und zu entwickeln war immer meine Priorität und ist es auch heute noch.
Was heißt das genau?
Ich habe mich zum Beispiel zum „Zeitmillionär“ gemacht, weil ich sehr simpel lebe und sehr wenig Geld brauche. Es ist überhaupt nicht kostspielig glücklich zu sein, und das hab ich geübt. Glücklich sein zu wollen ist eine Entscheidung, das haben viele Leute erst auf dem Totenbett erkannt und sagen dann, ach hätte ich mich nur mehr um mich und meine Lieben und meine wahren Sehnsüchte gekümmert. Jeder hat unerfüllte Träume und nach denen sollte man in der Freizeit suchen, vielleicht mal ein paar Sabatical Monate rausschnitzen aus dem Terminkalender. Aber die meisten entscheiden sich für Geld, Macht oder Ruhm, vermutlich aus Angst vor der Leere. Ich hab mich zum Glück nie in einer Situation befunden wo ich das Bedürfnis gehabt hätte zu sagen, wie in dieser Werbung damals, „Mein Haus, mein Boot, mein Pferd“. Viel wichtiger ist es in einer zufriedenen Grundfrequenz zu leben.
Wie hältst du dich in einer „hohen Frequenz“?
Ich habe mir angewöhnt nichts Negatives mehr zu sagen, ich überlege so gut ich kann: Welchem Thema will ich Energie geben und welche Frequenzen möchte ich vermeiden. Von Menschen, die schimpfen und anderen Leuten die Schuld geben für ihr Missgeschick halte ich mich fern so gut ich kann. Das Schöne ist, je mehr man sich um die eigene „Selbstfindung“ und die Frequenz in der man unterwegs ist kümmert, umso seltener laufen einem negative Dinge über den Weg. Ich bin quasi „Glücksforscherin“ geworden und das Glück zu finden klappt nur, wenn wir wissen was wir wirklich wollen, und wer wir wirklich sind. Das finde ich nur durch Ausprobieren. Wenn ich gemerkt habe: “Boo, jetzt bin ich wirklich im Bliss“, dann bin ich dieser Spur gefolgt. Deswegen habe ich zuerst gedacht, ich will Tänzerin werden, weil ich immer so glücklich war während ich getanzt habe. Dann habe ich das Singen für mich entdeckt, dann das Trommeln und mit 45 endlich die Gitarre. Wenn ich musiziere bin ich im Flow und vergesse alles um mich herum. Es stellt mir die Haare zu Berge und manchmal laufen mir Tränen übers Gesicht. Es war ein langer Weg dorthin, aber immer wenn ich an einem neuen Lied übe, geht es mir besser als vorher.
Und wie kommt man in den eigenen Lebensflow?
Es ist wichtig herauszufinden, was einem persönlich wirklich guttut. Wer man wirklich ist, welcher Archetyp man ist, und wo man wirklich hingehört. Das kann dir keiner abnehmen, da kann man nur auf die Suche gehen, die entsprechenden Bücher lesen, die richtigen Leute treffen und auf sein emotionales Feedback-System hören. Das haben wir genau aus diesem Grunde eingebaut bekommen, damit wir erkenne wie wir zu unserer wahren Stärke „zurückfinden“. Zurück ist in dem Zusammenhang sehr stimmig, denn als kleine Kinder wissen wir all das genau. Ich beobachte oft in unserem Trommelkreis die Dreijährigen, die sind entweder magisch angezogen vom Groove und wollen sofort mitspielen oder sie laufen schreiend davon. Die Arbeit mit dem inneren Kind kann einem zum Beispiel viele Türen öffnen beim Rausfinden, wer man wirklich war, bevor die Gesellschaft einen verbogen hat.
Dein inneres Kind scheinst du nie verloren zu haben und heute eine gute Verbindung zu ihm zu pflegen.
Es gab in mir immer eine Sehnsucht danach, alle Facetten meiner Persönlichkeit zu erwecken. Ich hab das 37 Jahre lang in jeder Show gemacht und bin in zig Rollen geschlüpft. Heute stelle ich mir während ich meditiere vor, was ich erleben möchte und es geschieht. Meine Energie zieht genau die richtigen Leute und Synchronizitäten an. Am glücklichsten bin ich, wenn ich groove, wenn der Rhythmus mich davonträgt. Wenn ich meine englischen Songs spiele und in den Flow gehe, alles um mich herum vergesse. Jetzt bin ich Musikerin und singe in meinen englischen Songs über all die Themen, die mich wirklich beschäftigen. Ich gebe Glückstipps und -tricks – und war ja immer sowas wie ne „Tipp Tante“ – nur jetzt besteht mein Publikum aus jungen Leuten, die nach alternativen Lebensformen suchen. Dafür habe ich im Un-Ruhestand endlich die Zeit und in der Musik ist man auch nie am Ende mit üben. Ganz grundsätzlich kann ich nur jedem empfehlen sich immer wieder zum Anfänger zu machen, das hat den großen Reiz, dass man sich auch immer wieder ganz neu entdecken kann. Das ist etwas, das ich bis ins hohe Alter zu tun plane. Ich lebe so simpel wie nie und fühle mich so reich wie nie. Ich muss niemandem mehr was beweisen.
Weil du für dich herausgefunden hast, worum es wirklich geht …
Zum Beispiel um die Einsicht, dass man sich von Moment zu Moment nur entweder für die Liebe oder die Angst entscheiden kann! Oder auch, dass nur der Moment wirklich zählt und Zukunft und Vergangenheit Illusionen sind. Auch, dass man an seiner eigenen Frequenz arbeiten kann und nur das in sein Leben zieht, was man auch selber ausstrahlt. Das sind in kurzen Sätzen die einzigen Dinge auf die es wirklich ankommt. Wenn man es schafft danach zu leben, ist man bei sich selber angekommen.
Sissi Perlinger, Kabarettistin, Schauspielerin und Autorin schrieb mehrere erfolgreiche Bühnenprogramme und wirkte in vielen Filmen mit. Für „Der letzte Kurier“ erhielt sie den Grimme-Preis. Zudem bekam sie den Deutschen Kleinkunstpreis und den Bayerischen Kabarettpreis. Heute gibt sie unter dem Motto „Spiritual Comedy First Aid Self Help Kit“, einem humorvollen spirituellen Erste-Hilfe-Kasten, praktische Tipps, um gesund, achtsam und glücklich zu bleiben.