Wenn wir an einem Wendepunkt im Leben stehen, sind wir aus zwei möglichen Richtungen dorthin gekommen. Entweder wünschen wir uns eine Veränderung oder wir sind dazu gezwungen. In beiden Fällen gilt: Was bisher war, wird künftig so nicht mehr sein.
Jede Veränderung, ob selbst- oder fremdbestimmt, soll letztlich zu einer Neuerung oder einem Ausweg führen: Man möchte freier sein, einen neuen Job finden, die lang geplante Auszeit nehmen, mit Trennung, Krankheit oder Verlust umgehen können oder in einer neuen Lebensphase ankommen. An solchen Wendepunkten steigt oft auch der Druck: „Klar, ich sollte dieses Hamsterrad verlassen … diesen Zustand beenden … endlich eine Lösung finden … unbedingt handeln. Nur wie?“ Während also Entscheidungen anstehen, nehmen die Bedenken immer mehr zu: „Was, wenn ich das Neue, das Unvertraute nicht bewältige? Wenn ich zu viel riskiere und am Ende scheitern könnte? Und was werden andere bei einem Scheitern über mich denken?“ Da gibt es zum Beispiel die gestandene Führungskraft, die sich beruflich neu orientieren möchte und mit einer Pro-und-Kontra-Liste in ein Coaching kommt, um Klarheit über ihre Optionen zu erlangen. Sieben ihrer Punkte sprechen für eine Kündigung, drei dagegen. Dennoch meint sie, sich nicht entscheiden zu können. Sie möchte unbedingt auch die drei Kontra-Punkte ins Positive umkehren, sich quasi absichern aus Sorge, eine Fehlentscheidung zu treffen, ein Scheitern vermeiden. Tatsächlich kann es „die“ richtige Entscheidung gar nicht geben. Kein Mensch kann schließlich wissen, was in der Zukunft passiert. Es bleibt immer ein Restrisiko – und damit auch die Möglichkeit zum Scheitern.
„Ich würde ja gern, aber ich trau mich nicht“
In dieser Lage sind zwei Seiten in uns im Widerstreit: Einerseits haben wir ein Bedürfnis nach Veränderung, andererseits vermeiden wir, etwas dafür zu tun. Erkennbar in dem Gedanken: „Ich würde ja gern, aber ich traue mich nicht, ich könnte ja scheitern!“ Sie rufen gleichzeitig Freude und Angst hervor. Im Entscheidungsprozess listen wir alle Vor- und Nachteile unserer Möglichkeiten auf, in der Hoffnung, dass klarer wird, was zu tun ist. Allerdings ist es so, dass wir auch mit den Nachteilen, die eine Entscheidung naturgemäß mit sich bringt, leben müssen.
Erst im Unterwegssein erkennen wir, ob es die richtige Entscheidung war
Entscheiden hat stets einen Preis, weil man sich immer auch gegen etwas entscheidet. Damit können viele Menschen nicht umgehen. Weil sie „duschen möchten, ohne nass zu werden“, befinden sie sich im Dauerkonflikt. Entscheiden bedarf jedoch auch der Bereitschaft zum Risiko: Gegebenenfalls können wir falsch liegen und sollten auch ein Scheitern mit einbeziehen. Je mehr Ängste vor einem Scheitern auftauchen, umso schwerer fallen Entscheidungen und desto mehr Absicherung kommt ins Spiel. Wer aber entscheiden kann, übernimmt Selbstverantwortung. Er nimmt wahr, dass er selbst es ist, der sein Leben gestaltet.
An diesem Punkt höre ich oft „Ja, aber“-Sätze, eine typische Reaktion, wenn wir uns auf etwas Neues noch nicht so recht einlassen können. Mit dem „Ja“ (dem Bedürfnis-impuls) geben wir uns selbst eine Scheinzusage: Ich habe verstanden, was mir ein Neuanfang bringen kann. Mit dem „Aber“ (dem Vermeidungsimpuls) stoppen wir jedoch diesen inneren Prozess und die Vorfreude auf das Neue gleich wieder. Wir bewaffnen uns also mit Gegenargumenten, warum das nicht funktionieren kann. Aus einer unbestimmten Angst vor dem Scheitern oder vor einer Katastrophe, mit der es nur noch schlimmer werden könnte, möchten wir lieber alles beim Alten lassen. Dabei gilt: Scheitern erlaubt.
www.gerda-bornschier-coaching.de
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