Manche Paare haben es im Laufe der Zeit ganz einfach verlernt. Dann müssen sie es eben wieder üben: das Miteinander-Reden. Der Autor und Schauspieler Pierre Franckh gibt Tipps und zeigt, warum eine gesunde Kommunikation jede Beziehung zu neuem Leben erwecken kann.
Jochen und Ingrid lernten sich auf einer Party von Freunden kennen. Zwei Wochen und vier Dates weiter, sind die Beiden ein Paar. Am Anfang ihrer Beziehung war alles prima. Beide waren glücklich einen Partner gefunden zu haben. Man war verliebt und zufrieden. Man hat sich eingesetzt, bemüht und mit dem Partner klare, gemeinsame Ziele gehabt. Doch mit der Zeit hat sich etwas verändert. Schleichend, fast unmerklich zog der Alltag ein. Sex war nicht mehr so rasend spannend, die körperliche Neugierde irgendwann befriedigt und auch die Zärtlichkeiten verloren sich immer mehr. Leider auch die Anerkennung und Bewunderung. Es gab eben nichts Neues mehr, das es zu bewundern galt. Mit der Zeit haben Jochen und Ingrid dann auch vergessen, wie begeistert sie am Anfang von ihrem Partner waren, wie einzigartig und wie tief sie gegenseitig r einmal berührt hatten. Ingrid und Jochen sind kein Einzelfall, vielen tausend Paaren und Verheirateten in Deutschland geht es so.
Laut einer Statistik reden Partner sieben Minuten am Tag miteinander. Sieben Minuten! Darin eingeschlossen: »Hast du den Müll raus gebracht?«, »Wer bringt das Kind zur Schule?« und »Bring mir bitte ein Bier mit.« Sieben Minuten! Und das ist nur der Durchschnitt. Das bedeutet, einige reden sogar noch weniger miteinander! Wenn das wahr ist, so findet, abgesehen vom Organisieren des Haushalts, nach einer gewissen Zeit in Beziehungen kein wirkliches Gespräch mehr statt. Aber wer nicht redet, teilt sich nicht mit. Wer sich nicht mitteilt, wird nicht verstanden. Wer nicht verstanden wird, fühlt sich abgelehnt und ungeliebt. Jeder lebt dann sein eigenes Leben, scheinbar zusammen und doch tief im Inneren getrennt.
Reden schafft Nähe
Erinnern Sie sich noch daran, als Sie sich frisch verliebt hatten: Da gab es tausend Worte – mit dem gleichen Partner, mit dem man heute schweigt. Jedes Detail des Lebens wurde damals besprochen und war es noch so belanglos. Jeder Flügelschlag eines Schmetterlings, selbst der verpasste Bus war interessant. Das Mitteilen machte die Beziehung lebendig. Dabei ging es nicht um den Schmetterling oder den Bus, man hätte auch etwas anderes erzählen können. Es ging um die Gefühle, die dabei entstanden sind. Es war jemand da, der einen ernst nahm. Man war wichtig. Man hatte etwas ausgemacht im Leben. In dieser Phase hätte man alles für den Partner getan. Da war jemand, der zuhörte, der Interesse zeigte und Verständnis aufbrachte, der sich gemeinsam mit einem aufregte und sich für die gleichen Dinge begeisterte. Man hat sich in ihm wiedererkannt. Man hat Gleiches gefunden und über die Gleichheit Tiefe empfunden. Das wichtigste Mittel hierfür war Kommunikation. Dies erst ließ die Beziehung entstehen.
Am Anfang der Beziehung war davon reichlich vorhanden. Und man war glücklich. Natürlich! Denn Paare, die viel reden sind glücklicher und die Beziehung ist wesentlich stabiler. Selbst wenn sie nur Belangloses austauschen, selbst wenn sie sich nur über ein Plakat an der Hauswand aufregen oder über die Kleidung einer Passantin. Sie nehmen beide aktiv am gemeinsamen Leben teil, sie freuen sich gemeinsam und sie empören sich gemeinsam. Reden verbindet. Das Leben ist dann ein gemeinsamer Austausch von Gedanken und Meinungen. Lachen, tratschen, amüsieren, bequatschen. Alles ist wichtig genug, um besprochen zu werden: Der Freund, der jetzt noch eine Jüngere hat, der komplizierte Automat in der Straßenbahn, der kleine Autounfall an der Ecke, die hohe Telefonrechnung, die dämlichen Öffnungszeiten der Post.
Solange ihr noch miteinander redet, gibt es Hoffnung.
Wie wichtig Reden ist, auch nur über das scheinbar Oberflächliche, weiß man spätestens dann, wenn das bunte Leben verstummt. Wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird und ein Gespräch nur noch in Vorhaltungen oder endlosen Monologen endet. Und es gibt immer Gründe, warum der Redefluss versiegt ist: Mangelndes Interesse oder Verletzungen, die aus Angst vor Konflikten nicht mehr angesprochen werden. Oder aber Verhaltensmuster, die wesentlich weiter zurückliegen. Ist aber die Kommunikation erst einmal versiegt, so erlebt man etwas, was man nicht haben will. Einsamkeit und das Gefühl in der falschen Beziehung zu stecken. Jeder lebt für sich, aneinander vorbei, Tag für Tag, es geht schon irgendwie. Träume und Sehnsüchte bleiben auf der Strecke, keiner weiß mehr so richtig, warum man eigentlich zusammen ist. Die Verbindung hat sich irgendwann, irgendwo verloren. Man wird dann sicherlich viel über Verletzungen wissen, aber nur wenig über seinen Partner. Man wundert sich nur, dass das Verständnis immer mehr abnimmt. Man hat sich anscheinend nichts mehr zu sagen.
Aber das stimmt nicht. Man ist nur aus der Übung gekommen. Erinnern wir uns einfach wieder, wie es am Anfang war: jeder Flügelschlag des Schmetterlings, der verpasste Bus. Gerade weil wir uns so lange nicht mehr über Gemeinsames gefreut oder empört habt, gibt es jede Menge »Neues« zu entdecken und mitzuteilen. Man muss nur einfach wieder damit anfangen. Eine neue Kommunikation erschaffen. Fernseher aus, Zeitung beiseite – der Partner ist doch immer noch viel spannender als jeder Film. Er ist das wirkliche Leben. Was auch immer man besprechen will, nichts ist zu unwichtig. Der Weg: Sich wieder mehr mitteilen. Die Beziehung wieder in Fluss bringen. Das Spielerische wieder in die Beziehung bringen. Reden ist das beste Mittel dazu.
Betrachten Sie die Welt mit den Augen Ihres Partners
»Wahre« Kommunikation ist noch mehr als nur »Reden«. Wahre Kommunikation heißt: sich auszutauschen darüber, wie es tief in unserem Inneren aussieht. Das ist natürlich nicht immer einfach. Manchmal werden wir nämlich sehr verschwiegen, wenn es um die eigenen Bedürfnisse geht. Wir reden nicht gerne über all die Verletzungen, Ängste, Minderwertigkeitsgefühle und alte, einengende Muster. Wenn es aber in der Tiefe keinen Austausch gibt, fühlen wir uns immer stärker getrennt. Letztlich sind wir es selbst, die darunter leiden. Schließen Sie Ihren Partner nicht aus Ihrem Leben aus. Lassen Sie den natürlichen Fluss der Beziehung wieder zu. Wenn man alles in sich hineinfrisst, wird eine Verständigung nur immer schwieriger und irgendwann ist die trennende Lawine nicht mehr zu stoppen.
Aber wie fängt man an? Nach all den Jahren? Lassen Sie ihn erzählen. Was empfindet er? Was braucht er? Was fehlt ihm? Was regt ihn auf? Was macht ihn glücklich? Hören Sie zu, nehmen Sie wieder teil und lassen Sie sich auch einmal auf eine andere Sichtweise ein. Betrachten Sie die Welt mit den Augen Ihres Partners. Sie werden erstaunt sein, wie neu und anders die Welt aussehen kann.
Wenn Sie einen Schritt auf Ihren Partner zugehen, dann erst können Sie herausfinden, in welcher Beziehung er sich befindet. Nicht immer ist es die gleiche wie Ihre. Vielleicht haben Sie Ihre Partnerschaft völlig anders gesehen als er. Um die scheinbar vertraute Welt einmal mit anderen Augen zu erfassen, brauchen wir nichts anderes zu tun als zuzuhören, ohne sofort eine Antwort parat zu haben. Und dann teilen auch Sie sich wieder mit. Sich mit jemandem teilen. Jemanden teilhaben lassen am eigenen Leben. An eigenen Träumen, eigenen Sehnsüchten, Wünschen, Gefühlen oder an der Hilflosigkeit, nicht über Gefühle sprechen zu können. Sprechen Sie über Ihre Kindheit oder über Gedanken, die immer wieder hochkommen, Ihre Ängste, nicht zu genügen, alt zu werden, nicht schön genug zu sein, nicht bestehen zu können. Damit geben wir unserem Partner die Möglichkeit zu erfahren, wer wir in Wirklichkeit sind, jenseits aller Rollen, die wir sonst spielen. Vor allem werden wir etwas Seltsames feststellen: Unserem Partner geht es wahrscheinlich genauso wie uns. Er hat die gleichen Verletzungen, die gleichen Enttäuschungen, er spürt die gleiche Einsamkeit und das gleiche Gefühl, nicht verstanden zu werden. Wenn wir anfangen, uns wieder über unsere wahren Gefühle auszutauschen, ohne Vorwürfe oder Schuldzuweisungen, werden wir vielleicht am Anfang betroffen sein, wie es so weit hatte kommen können. Aber dahinter warten die ersehnte Nähe und Vertrautheit. Wenn echte Kommunikation stattfindet, wird unsere Beziehung funktionieren.
Kommunikation kann auch laut und heftig sein.
Natürlich kann Kommunikation auch laut und heftig sein, euphorisch oder manchmal auch trennend oder traurig, ernsthaft und hilflos, weil man unterschiedlicher Meinung ist. Immer jedoch erschafft wahre Kommunikation genau das, was man so sehr vermisst, eine Einheit. Eine tiefe Verbundenheit. Denn eins ist inzwischen erwiesen: Partnerschaften, in denen öfters gestritten wird, sind wesentlich stabiler als solche, in denen jede Auseinandersetzung vermieden wird. Wo gestritten wird, kann jeder seine Bedürfnisse, Hoffnungen, Sehnsüchte und Ansprüche artikulieren. Es findet ein Austausch statt. Unser Partner erfährt etwas von unseren Wünschen und unseren Enttäuschungen. Streit ist nichts Negatives. Er gehört genauso zum Austausch wie Nähe.
Das Mitteilen unserer Gefühle zeigt dem Partner, dass wir ihn ernst nehmen, dass wir uns austauschen wollen, und wenn es sein muss auch vehement. Auch unser Partner fühlt sich auf diese Weise besser verstanden und respektiert, denn auch er muss seine Gefühle nicht in ein emotionsloses Niemandsland schicken. Auch er darf mitteilen, wie es ihm mit uns geht. Auch er darf laut sein.
In welcher Form auch immer: Kommunikation stärkt die Liebe. Kommunikation entsteht, weil wir sie zulassen. Kommunikation ist ein Fluss zwischen zwei Menschen, egal ob laut oder leise. Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihnen so einiges in der Partnerschaft fehlt, so reden Sie mit Ihrem Partner darüber. Wenn Sie sexuell unbefriedigt sind und wenn Sie gerne mehr oder anderes oder sich einfach nur Abwechslung wünschen, so reden Sie darüber. Schenken Sie Ihrem Partner reinen Wein ein. Egal was passiert, mit Ehrlichkeit geben Sie sich und Ihrem Partner die Würde zurück.
Wenn Sie schweigen, dann wird sich auch nichts in der Partnerschaft ändern. Ihr Partner braucht Ihr Feedback. Wenn er nicht weiß, wie es Ihnen geht, kann er auch nicht reagieren. Lassen Sie ihn Ihren Mangel wissen. Lassen Sie Ihren Partner daran teilhaben. Lösen Sie diesen Mangel gemeinsam mit ihm. Solange man redet, gibt es Hoffnung.
Reden ohne Worte
Es gibt jedoch noch eine weitere Form des Austausches. Das Gespräch ohne Worte. Tiefes Glück lässt sich nicht immer in Worte fassen. Manchmal banalisiert die Sprache das Erleben. Wir alle haben solche Momente schon einmal erlebt. Jeder von uns kennt das Gefühl, wenn die Blicke in die Seele des anderen eintauchen, wenn eine Geste tiefes Verständnis erzeugt, wenn ein Lächeln oder eine nicht zurückgezogene Hand das gemeinsame Erleben verstärkt.
Der stille, in der Tiefe berührende Waldspaziergang, das gemeinsame Betrachten eines Sonnenunterganges, der Morgen nach einer wundervollen Nacht, oder mitten unter Menschen die wortlose, aber nicht minder beredte Sprache der Seele, die in diesem Moment nur diese zwei Menschen wahrnehmen. Wenn Schweigen erfüllt ist von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit, dann geschieht etwas sehr Machtvolles zwischen zwei Menschen. Die Seele weiß, dass sie gleich schwingt, Gleiches fühlt, Gleiches erlebt, sie fühlt sich erkannt und verstanden.
Stille Kommunikation ist der Austausch vom tiefen Sein, und ist sie immer wieder in einer Beziehung vorhanden, gibt es nur eins, was dort vorherrscht – tiefe Liebe und Verständnis. Stille Kommunikation ist also nicht das Zurückhalten von Worten oder das stumme Ertragen einer Situation. Stille Kommunikation ist ein magischer Austausch, ein stiller Fluss voll authentischer Wahrhaftigkeit. Das Erkennen des anderen in seiner Tiefe. Sie lässt uns im gemeinsamen Erleben groß und würdevoll erscheinen. Wir sind glücklich. Wir fühlen uns verbunden. Selbst in Momenten der Trauer, im Ertragen eines Verlustes kann das gemeinsame stille Erleben eine ungeheure Nähe und Verbundenheit schaffen. Stille Kommunikation kann man sich nicht vornehmen. Sie entsteht, wenn sie Raum und Zeit hat. Wir müssen nur genügend Mut aufbringen, die Stille entstehen zu lassen. Dann können die wundervollen Momente ohne Worte zwei Liebende zu einer Einheit verbinden. Dann gibt es einen tiefen Austausch zwischen Ihnen und Ihrem Partner.
Wahre Kommunikation erschafft Liebe und tiefe Zufriedenheit. In diesen Augenblicken ist man sich nah. Nah dem Partner und nah sich selbst. So fühlt sich eine glückliche Beziehung an. Wir fangen an authentisch zu sein. Und unser Partner ebenfalls. Ingrid und Jochen haben es letztendlich geschafft, sie haben sich ausgesprochen, ihre Krise überwunden und sind seitdem wieder glücklich. Weil sie wieder angefangen haben, miteinander zu sprechen.
Pierre Franckh, FOCUS- und SPIEGEL-Bestsellerautor gehört mit einer Gesamtauflage von über 3 Millionen Büchern, CDs, DVDs zu den erfolgreichsten deutschen Spitzenautoren. Seine Bücher sind in 21 Ländern erschienen. Pierre Franckh hält Vorträge auf der ganzen Welt und gibt Seminare vor ausverkauften Häusern. Als Speaker, Mentaltrainer und Motivationscoach ist er in der Wirtschaft tätig, ebenso als Ausbilder für viele Ärzte, Kinesiologen und Heilpraktiker. Nach seinen Regeln und Anweisungen haben hunderttausende von Menschen ihr Leben zum Positiven verändert. Gemeinsam mit Michaela Merten, Bestsellerautorin & Erfolgscoach hat er die Online-Academy & Community Happiness House gegründet. Das Persönlichkeitsentwicklungsportal für Selbstoptimierung & Potenzialentfaltung.
Foto: K.Vay/Jump