Silja Mahlow erklärt, wie du deinen Kopf dazu überreden kannst, etwas mehr für dein Glück zu tun.
Meine Glückssuche begann vor mehr als zehn Jahren, als ich weinend vor dem unaufgeräumten Kleiderschrank im Schlafzimmer meiner neuen Wohnung saß – frisch getrennt und vollkommen durcheinander. Ich wusste nicht viel über das Glück, ich wusste nur, wie unglücklich ich war. Damals fühlte ich mich überfordert und schleppte einen wilden Rucksack aus Schuldgefühlen und Emotionen unbemerkt auf meinem Rücken.
Wir alle kennen solche Momente. Sie machen uns menschlich. Was daran liegt, wie unser menschliches Gehirn funk-tioniert. Wenn wir lernen, es besser zu verstehen, dann finden wir auch ein paar innere „Glückshebel“, die wir nutzen können. Eigentlich sind wir nämlich alle gut so, wie wir sind. Es gibt halt nur ein paar Dinge zu tun, die das Leben leichter machen.
Wenn wir uns auf den Weg machen, können wir lernen, unser Leben von einem Ort der Weite und des inneren Friedens aus anzugehen. Das macht alles leichter. Ich nenne diesen Ort den Glücksplaneten. Und da ich ihn finden konnte, kannst du es auch.
Mach dein Glück nicht von deinen Gefühlen abhängig
Unser Glück scheint meist von äußeren Faktoren abhängig. Der Prozess läuft bei allen gleich: Wir nehmen etwas wahr und unser Geist bewertet es. Wenn beispielsweise eine Freundin zu spät kommt, bin ich manchmal eingeschnappt und nehme es persönlich. Wenn mich jemand lobt, wachse ich gerne innerlich ein paar Zentimeter. Wenn wir genau darauf achten, kommen und gehen unsere Emotionen wie Wellen an einem Strand.
Mache dir deine Gefühle bewusst
Lass uns deshalb das Glückstraining damit beginnen, die eigene Gefühlswelt einmal bewusster wahrzunehmen: Atme ein paar Mal tief ein und aus und halte einen Moment inne. Dann frage dich: Wie geht es mir jetzt in diesem Moment? Bewerte deine Antwort auf einer Skala irgendwo zwischen 0 (schrecklich) und 10 (irre gut). Frage dich nun: Warum war die Zahl nicht niedriger? Und dann: Warum war sie nicht höher?
Wiederhole diese Übung in den nächsten Wochen immer wieder, um deine Gefühlswelt, Bewertungen und Gedanken bewusst zu beobachten. Sobald du verstehst, was dich freut oder in Rage bringt, kannst du beginnen damit zu arbeiten. Nur solange, wie unsere Gefühle uns scheinbar aus dem Nichts überrollen können, sind wir ihnen ausgeliefert. Sobald wir jedoch wahrnehmen, was sie herbeiruft, finden wir einen Weg zu mehr innerer Freiheit und erkennen das Chaos, das unsere Gedanken und Bewertungen in uns fabrizieren können. Du wirst beim Beobachten in den nächsten Tagen einiges wahrnehmen. Manches wird dir richtig und wichtig vorkommen, anderes wird dich den Kopf über dich schütteln lassen. Freu dich über jede kleine Erkenntnis und vor allem: Verurteile dich nicht. Bevor wir weiter gehen und unseren Kopf trainieren, brauchen wir noch ein paar wichtige Erkenntnisse aus der modernen Psychologie, die mir sehr geholfen haben nicht wieder heulend vor Schränken zu sitzen.
“Deine Gefühle sind Reaktionen auf Sinneswahrnehmungen oder Gedanken, die du unbewusst und subjektiv bewertest. Mache dir klar: Du bist nicht deine Gefühle. Sie kommen und gehen wie Wellen an einem Strand.”
Fünf Dinge, die du über dein Gehirn wissen solltest
1. Dein Gehirn ist nicht dazu da, dich glücklich zu machen: Ich weiß, das hört sich bitter an, aber dein Gehirn ist von Natur aus nicht so angelegt, dass es dich automatisch glücklich macht. Es will vor allem, dass du überlebst. Was bedeutet, dass es alle Momente, die irgendwann mal eine scheinbare Gefahr dargestellt haben, besonders gut gespeichert hat. In deinem Kopf ist also eine Art Gefahrendatenbank, deren Inhalt du nicht selbst bestimmt hast. Sie hat sich unbewusst gefüllt.
2. Negative Erinnerungen sind besser abrufbar als positive: Damit die Risiken des Lebens in dieser Datenbank besonders gut abrufbar sind, speichert dein Gehirn stark negative Emotionen anders als den Rest deiner Erlebnisse. Die Datenbank prüft vor der Speicherung jedoch nicht, ob es eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben gab. Daher ist das Gefühl von Verlassensein als Kind genauso gut gespeichert, wie der glimpflich verlaufene, aber erschreckende Autounfall. Leider speichert sie nicht, wie wir uns gerettet haben. Sie speichert nur die Gefahr samt der dazugehörenden Emotion.
3. Das Frühwarnsystem in deinem Kopf übernimmt automatisch: Es gibt Momente, da scheint eine Art Automatismus unser Handeln zu übernehmen. Wer zum Beispiel nach einem Unfall irgendwo eine Bremse hört, zuckt zusammen und springt vielleicht zur Seite. Wer einmal ausgelacht wurde, meidet möglicherweise Auftritte vor Gruppen. Diese automatischen Programme haben wir alle, sie sind kein Grund sich schlecht zu fühlen. Sie sollen unser Leben retten. Wann ein solches Programm startet, entscheiden wir daher nicht selbst. Unser Gehirn gleicht die Sinneswahrnehmungen quasi andauernd mit der inneren Gefahrendatenbank ab und aktiviert die Überlebensprogramme, wann immer es nötig scheint. Wir sind dann einen Moment wie ferngesteuert.
4. Alte Erlebnisse und Gefühle bestimmen deine Wahrnehmung und Logik: Ist es nicht verrückt, wie unterschiedlich Menschen die Welt wahrnehmen? Man muss sich nur die verschiedenen Versionen gemeinsamer Familienfesterinnerungen ansehen. Unser Blick auf die Welt ist höchst individuell. Das liegt daran, dass wir quasi eine Art Brille tragen, die unsere Sinneswahrnehmungen filtert. Unsere momentane Aufmerksamkeit, aber vor allem unsere Erfahrungen und die daraus entstandene innere Logik, formen unbewusst unseren Blick auf die Welt. Durch den Filter, der sich über alles legt, nehmen wir tendenziell eher wahr, was wir sowieso schon glauben. Dies wiederum verstärkt unser inneres Weltbild. Ein Beispiel: Wer glaubt, die Welt ist voller netter Menschen, wird eher freundliche Menschen aus der Fülle der Eindrücke filtern, als jemand, der die Welt als feindselig bewertet hat. Spannend, oder?
5. Dein Gehirn ist veränderbar: Weil du dir den Ist-Zustand der Festplatte in deinem Kopf nicht bewusst gewählt hast und dir deine Brille, mit der du die Welt wahrnimmst, nicht selbst ausgesucht hast, kannst du nun beginnen dies zu ändern. Du kannst lernen, alte Erlebnisse, die dein Gehirn bislang als Gefahr gespeichert hat, anders zu sehen und so mehr in deine Kraft kommen. Das sorgt dafür, dass du dich nicht länger von den Automatismen deiner Gefahrendatenbank leiten lässt. Du kannst stattdessen lernen, die positiven Momente für dich besser abrufbar zu speichern. Das verändert mit der Zeit die Brille, mit der du auf die Welt schaust. Das Schöne: Ein solcher Umbau unseres Gehirns ist bis ins hohe Alter möglich. Der Satz „Ich bin halt so“ gilt daher immer nur für den Moment, nie für die Zukunft. Wie wir sein wollen, das können wir selbst gestalten.
Drei Übungen für dein Glück
1. Schlechte Gefühle auflösen: Geh ab jetzt jeden Abend kurz vor dem Schlafen deinen Tag noch einmal durch. Halte Ausschau nach allen Arten negativer Gefühle und nimm dir einen Moment, um diese Situationen aufzulösen: Dazu atmest du ein paar Mal tief durch und schließt deine Augen. Stell dir vor, du säßest in einem Kinosessel. Nun betrachte die unangenehme Situation des Tages innerlich auf einer Kinoleinwand. Anders als in deinen „normalen“ Erinnerungen wechselst du hierfür die Perspektive. Du siehst dich nun selbst von außen in der jeweiligen Situation. Die Emotion ist durch die neue Perspektive abgemildert und das gibt dir die Möglichkeit, gelassener darauf zu schauen. So kannst du mit dem Moment Frieden schließen oder sogar Lösungen und Zusammenhänge wahrnehmen. Sollten dir ältere, ungute Situationen in den Sinn kommen, kannst du hiermit genauso verfahren. So kannst du die Gefahrendatenbank in deinem Kopf nach und nach aufräumen. P.S.: Sollten dir Situationen in den Sinn kommen, die du dir nicht alleine anschauen möchtest, dann hole dir professionelle Hilfe. Scheue dich nicht im Zweifel mit einem gut ausgebildeten Therapeuten oder Coach zu arbeiten.
2. In guten Gefühlen baden: Dein Gehirn unterscheidet nicht, ob du etwas erlebst oder erinnerst. Darum tut es gut, besonders schöne Momente bewusst noch einmal zu erleben. Nimm dir also jeden Abend etwas Zeit, um dir deine schönsten Momente der letzten Tage noch einmal in Erinnerung zu rufen. Sieh sie vor deinem inneren Auge an und zwar genauso, wie du sie erlebt hast. Sobald du das tust, fühlst du erneut das gute Gefühl des Moments in seiner vollen Kraft. Je öfter du das übst, umso besser wird dieser Moment abrufbar. Wenn du einen Schritt weiter gehen magst, dann verbinde dieses Ritual mit einer Dankbarkeitspraxis und freu dich über all die Schönheit in deinem Leben. Es gibt unzählige Studien, die belegen, wie wunderbar Dankbarkeit auf unser Glück wirkt. In deinem Alltag kannst du den Effekt noch weiter verstärken, indem du bewusst die schönen Momente ein paar Atemzüge lang ausdehnst. Das verlängert die Ausschüttung von Glückshormonen.
3. Die Logik hinterfragen: Kommen wir zurück zur ersten Übung, in der du immer mal wieder innehältst und prüfst, wie es dir geht. Beginne nun, dir die Geschichte zu deiner Laune genauer anzuhören. Fast so als könntest du deinen eigenen Gedanken zuhören wie einer guten Freundin. Du wirst die Bewertungen und Wahrheiten hören, die in deinem Kopf herumgeistern. Beginn sie zu hinterfragen, insbesondere wenn sie dir schlechte Gefühle machen. Unsere inneren Bewertungen sind meist ziemlich egozentrisch. Wir denken, die meisten Dinge hingen mit uns zusammen. Denke an das Beispiel am Anfang: Wenn meine Freundin zu spät zu einem Treffen kommt, kann es passieren, dass ich denke, ich sei ihr nicht so wichtig. Doch kann es nicht genauso gut sein, dass sie gerade Sorgen hat, etwas Unangenehmes dazwischenkam oder es ihr nicht so gut ging? Das Wichtigste, was du über deinen Kopf wissen musst: Fang an, deine Gedanken zu beobachten und glaube ihnen nicht alles.
Silja Mahlow