Hochsensible Menschen sind die zarten Pflänzchen unserer Gesellschaft. Doch wenn sie aufblühen, bringen sie die Welt zum Staunen.
Hochsensibilität ist eine angeborene Spielart des Menschseins, die durch ein besonders empfindsames Nervensystem charakterisiert ist. 15 bis 20 Prozent von uns sind mit superfeinen Sensoren ausgestattet – eine Veranlagung, deren Wesen in der Verstärkung liegt. Das Erleben ist immer erhöht.
Alles macht ihnen mehr aus
Naturgemäß reagieren empfindsame Menschen sehr stark auf die Welt, in der sie aufwachsen. Diese Empfindsamkeit, die ihre Reaktion auf Umwelt und Lebensbedingungen prägt, entscheidet also buchstäblich über Gedeih und Verderb. So entwickeln hochsensible Kinder, die rigide und lieblos erzogen werden, eine ausgeprägte Verletzlichkeit. Die Forschung nennt dieses Phänomen vulnerable Sensitivität. Gemeint ist damit die starke Empfänglichkeit für negative Reize, ohne jedoch auf positive Reize zu reagieren. Als Erwachsene haben diese Menschen häufig mit chronischen, psychischen Problemen zu kämpfen. Man denke nur an die vielen psychosomatischen Beschwerden, mit denen sich manche Menschen ein Leben lang herumplagen: das empfindliche Magen-Darmsystem, chronische Rückenschmerzen, Migräne, schlechter Schlaf, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Da der Arzt nur selten organische Ursachen findet, landen die Patienten meistens beim Psychodoc. „Jeder zweite Patient einer psychologischen Praxis ist hochsensibel“, weiß die selbst hochsensible Therapeutin Brigitte Küster, die seit 30 Jahren mit empfindsamen Menschen arbeitet.
Scheue, empfindsame Wesen
Während der robuste Löwenzahn noch in der schmalsten Mauerritze wächst und uns von Frühjahr bis Herbst mit goldgelben Blüten beschenkt, kann die kapriziöse Orchidee einem das Leben ganz schön schwer machen. Bei falscher Pflege lässt die botanische Tropenschönheit die Blätter hängen und verweigert ihre Blüte. Kein Wunder, dass hochsensible Menschen gern mit Orchideen verglichen werden. Auch sie gelten oft als anspruchsvoll, schwierig und wenig belastbar. Für derbe Späße sind sie nicht zu haben, für Partys schon gar nicht, denn Smalltalk ist ihnen zuwider, und bei Massenveranstaltungen drehen sie durch. Auf „Normalos“ wirken die scheuen, empfindlichen Wesen entsprechend komisch und langweilig, und rumms, schon ist die Schublade zu. Schade, denn damit tut man diesen Menschen Unrecht. Tatsächlich sind Hochsensible oftmals viel schillernder und interessanter als man ihnen zutraut. Sobald sie ihrer Orchideenhaftigkeit Rechnung tragen, können sie ein ungewöhnlich hohes Potenzial entfalten und es zu reicher Blüte bringen.
Gerti Samel
Zum Weiterlesen:
Brigitte Küster, Von empfindsam bis hochsensibel, Kösel Verlag, 20 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 2/2021
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