Liebeserklärung an das Leben

„Dankbar sein können wir immer und überall, ob im Kleinen oder im Großen,“ so der Philosoph Jörg Bernardy. Für ihn ist Dankbarkeit der Schlüssel zu Freude und Zufriedenheit und „wie ein warmes Feuer, das sich ganz langsam in unserem Körper ausbreitet“.

Es gibt Tage, da empfinde ich schon beim Aufwachen eine tiefe Dankbarkeit. In meiner Bauchregion regt sich dann ein leichtes und wohliges Kribbeln. Ich vertiefe meinen Atem und eine leichte Gänsehaut läuft von der Wirbelsäule über den Nacken bis zur oberen Kopfhaut. Ich spüre die Wärme meines Körpers und antworte darauf mit einem inneren Lächeln. Körper und Bewusstsein sind zu diesem Zeitpunkt noch komplett miteinander verschmolzen. Ich fühle mich wie ein ruhiger Bergsee. Auf dessen glatter Oberfläche spiegelt sich alles, was in diesem Moment passiert. Ich höre, wie Geräusche an mein Ohr dringen, ein vorbeifahrendes Auto, Vogelgezwitscher, menschliche Stimmen und Schritte.

Mein erster Gedanke

Und dann sehe ich ihn heraufziehen, meinen ersten Gedanken des Tages. Ich beobachte mich selbst beim Denken und empfange alles mit einem warmen Lächeln. Bewusstes Einatmen, tiefes Ausatmen. Ein wohliges Gefühl durchströmt meinen Körper. Ich genieße diesen einmaligen Ruhezustand vor dem morgendlichen Aufstehen und beobachte, wie Körper und Bewusstsein miteinander spielen, wie sie fließend ineinander übergehen. Ich ruhe in mir und schwebe gleichzeitig durch die Weite dieses inneren Raumes. Entspannt, zu allen Seiten hin offen und zutiefst dankbar für diesen Augenblick.

Ich fühle mich reich beschenkt

Natürlich wache ich nicht jeden Morgen so klar und leuchtend auf. An manchen Tagen fühle ich mich auch erschöpft oder spüre Druck, weil ich weiß, dass mir ein voller Tag bevorsteht und ich viel Leistung bringen muss. Doch auch dann nehme ich ein paar tiefe Atemzüge und suche meist nach etwas, für das ich dankbar bin. Für das warme Bett zum Beispiel, für die Wärme meines Körpers. Oder dafür, dass mein Körper und mein Geist mir so vieles ermöglichen. Manchmal denke ich auch gezielt an Menschen, mit denen ich mich besonders verbunden fühle, und schicke ihnen ein aufrichtiges und stilles Danke. Ich fühle mich dann automatisch reich und beschenkt. Wenn ich einen schlechten Tag habe, versuche ich bereits im Voraus Dankbarkeit zu empfinden. Dafür, dass das Leben schon für mich sorgen wird und ich alles gut überstehen werde. Oder für die besonderen Erlebnisse und Menschen, die mich heute vielleicht überraschen und berühren werden.

Dankbarkeit ist wie das Licht eines warmen Feuers

Viel zu häufig haken wir das Thema Dankbarkeit mit dem Erstellen von Listen ab. Als würde das Aufzählen von Dingen schon ausreichen, um dankbar zu sein. In Wirklichkeit ist es viel einfacher. Dankbarkeit entfaltet sich vor allem dann, wenn wir sie empfinden. Wenn wir tief in uns ein Gefühl von echter Dankbarkeit spüren, das sich wie das Licht eines warmen Feuers ganz langsam in unserem Körper ausbreitet. Kaum etwas verbessert unsere Stimmung so effektiv und einfach wie aufrichtig empfundene Dankbarkeit.

Wer dankbar ist, wird auch glücklich

Dankbar sein können wir immer und überall, ob im Kleinen oder im Großen. Vielleicht sind wir dankbar für die Sonne, die gerade scheint, für das leckere Frühstück, zu dem uns eine Freundin eingeladen hat, für das unverhoffte freundliche Lächeln auf der Straße heute Morgen oder für die nette Nachricht, die wir soeben von einem Kollegen erhalten haben und die uns in unserem Erfolg bestätigt. Dankbarkeit ist und bleibt aber vor allem eine Frage der Intensität und Qualität. Ohne intensive Empfindung keine Wirkung. Statt nur materielle Dinge aufzuzählen, können wir auch für einfache Erlebnisse, Seinszustände und Erfahrungen dankbar sein.

Zum Weiterlesen:
Jörg Bernardy, Die Kraft der Einfachheit, GU Verlag
Den ganzen Artikel und ein Interview mit Jörg Bernardy finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 6/2024

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