Authentizität ist das neue „Buzzword“. Doch wo beginnt die Reise zu uns selbst und wo gucken wir uns nur etwas ab, was vermeintlich als authentisch gilt? Patricia Franke zeigt, was uns daran hindert, zu uns selbst zu stehen.
Bin ich wirklich „ich“, wenn ich auf Hipster-Bärte stehe oder gibt mir das nur der derzeitige Trend so vor? Darf ich überhaupt noch alte Werte schätzen oder macht mich das spießig? Sollte ich jetzt lieber vernünftig und gesellschaftlich angemessen handeln oder einfach tun, was mein Herz mir sagt, auch wenn es völlig außerhalb der Erwartungen meiner Familie und der Gesellschaft liegt? Oder doch lieber in die Fußstapfen der Familiensippe treten und rein in ein vermeintlich „sicheres“ Leben, fernab der eigenen Leidenschaften? Kennen Sie solche Fragen auch?
Die vier Authentizitätskiller
Die Erwartungen anderer sind der Killer für unsere eigene Authentizität. Wir verbiegen uns häufig so sehr, dass wir in einer Show von Cirque du Soleil auftreten könnten. Allerdings mit dem Unterschied, dass es bei unserer Performance keinen Applaus gibt, sondern nur Frust, Depression und im schlimmsten Fall: einen Burnout!
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Krankenkassen hierzu jährliche Reports veröffentlichen, die einem Angst machen. Burnout- und Erschöpfungsraten verdoppeln sich nicht mehr nur einfach, laut Studien der Techniker Krankenkasse vervielfachen sie sich zum Teil um das 18-fache.
Dabei gilt: Nur wenn wir lernen, uns selbst so anzunehmen und zu lieben wie wir sind, ist ein authentisches, glückliches Leben möglich. Doch was hindert uns eigentlich daran? Es gibt im Wesentlichen vier Authentizitätskiller (in meinem Buch beschreibe ich noch acht andere):
#1 Die Meinung anderer überbewerten
„Was sollen bloß die Leute denken?“ Diesen Satz kennen wohl die meisten Menschen und er ist an sich auch gar nicht so abwegig. Der Wunsch nach Anerkennung ist tief in unserer menschlichen DNA verwurzelt. Wir brauchen nur einen Blick in die Steinzeit werfen und es wird klar, dass der Mensch, so wie wir ihn heute kennen nur deshalb überleben konnte, weil er sich anderen Menschen angeschlossen hat. Man konnte sich nur gemeinsam gegen gegnerische Stämme, wilde Tiere und Umweltkatastrophen wehren. Somit wurde das Streben nach Anerkennung auf einmal überlebenswichtig. In der modernen Gesellschaft sind wir solchen Gefahren nicht mehr ausgesetzt und dennoch fühlt sich die Meinung anderer häufig so an, als würde unser Leben davon abhängen. Ein neuer Post auf Social Media bekommt nicht die gewünschten Likes und Kommentare? Oh nein! Die Kollegen haben bei der Präsentation im Meeting kurz einmal gelacht? Im Boden versunken! Das Date ist nicht so rosig gelaufen? Es bleibt also doch für immer beim „All by myself“, inklusive Tränen und Weinschorle.
Wir sind zu 99 Prozent damit beschäftigt, was andere Menschen über uns denken, anstatt unsere eigene Meinung über uns zu hinterfragen. Mag ich mich in dem Moment? Nein? Dann wird es an der Zeit zu hinterfragen, warum das so ist. Habe ich nach reinem Gewissen und nach meinen Werten gehandelt? Ja? Dann ist doch alles okay und der Blick muss wieder mehr in die eigene Wertschätzung gehen. Denn hier liegt der Schlüssel für unser Glück: Wenn wir uns so lieben wie wir sind, kann uns die Meinung anderer egal sein!
#2 Grenzenlos nett sein
People Pleasing oder grenzenlos nett sein ist ein weit verbreitetes Phänomen. Es bedeutet, dass man immer versucht, es allen recht zu machen, nur sich selbst nicht. Aber was genau steckt hinter diesem Syndrom und ist es nicht grundsätzlich erst einmal gut, dass People Pleaser sich so aufopferungsvoll für ihr Umfeld einsetzen? An dieser Stelle erst einmal ein klares „Nein“, denn im Adjektiv „aufopferungsvoll“ präsentiert sich ja bereits das Subjekt als „Opfer“. Und dieses Substantiv hat selten einen positiven Charakter.
People Pleaser finden es schwer, klare Grenzen für sich zu ziehen. Sobald es eine Anfrage für die Mithilfe bei einem Umzug gibt, springt der People Pleaser als Erster auf. Wir kennen solche Menschen und haben auch bestimmt den einen oder anderen in unserem Freundeskreis. Fällt Ihnen jemand ein? Sind das eventuell sogar Sie? Fällt es Ihnen auch oft schwer, „Nein“ zu sagen, selbst wenn Sie eigentlich gar keine Lust oder Zeit haben? Dann könnten auch Sie vom People-Pleaser-Syndrom befallen sein. Keine Sorge, das wird man mit ein wenig Übung wieder los.
Wichtig ist, sich erst einmal einzugestehen, dass man sich gerne und oft für andere aufopfert. Sind Sie dann oftmals wütend auf sich selbst oder sogar auf die anderen, weil Sie das Gefühl haben, dass Sie gar keine Wahl hatten als sofort „Ja, ich bin dabei“ zu sagen? Wunderbar! Denn das ist die erste Erkenntnis, dass Sie zumindest eine Tendenz für das People Pleasing haben. Wir tun alles für andere, weil wir uns davon erhoffen, von ihnen geliebt zu werden. Insgeheim wünschen wir uns damit, dass die Leere in uns mit einer Liebe von außen gefüllt wird. Vielleicht ahnen Sie schon, dass es umgekehrt sein müsste.
Daher als wichtigster Tipp für Sie: Ein „Nein“ zu anderen, bedeutet immer ein „Ja“ zu mir selbst. Fangen Sie mit kleinen Schritten an und fühlen Sie erst einmal in sich hinein, wenn die nächste Anfrage vom Chef, der Freundin oder der Familie kommt. Möchte ich das wirklich machen? Fühlt es sich gut für mich an? Nein? Dann ist es völlig in Ordnung, auch einmal abzusagen ohne sich dafür zu rechtfertigen. Anfangs mag sich das noch ungewohnt anfühlen, doch mit der Zeit gewöhnen Sie sich daran und es wird Sie innerlich stärken und Ihnen mehr Respekt von anderen einbringen.
Zum Weiterlesen:
Patricia Franke, “Authentisch!”, TRIAS Verlag, 19,99 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 4/2020
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