Diana Kinnert schreibt über „die neue Einsamkeit“ und gibt wichtige Impulse dazu, wie wir in Zukunft leben wollen.
Eine neue Einsamkeit greift immer weiter um sich. Unsere Gesellschaft fordert Konsum statt Intimität, Flexibilität statt Verbindlichkeit, immer mehr Gewinn statt Stabilität. Mit den digitalen Welten bröckeln altbekannte Strukturen, die Alten bleiben zurück, die Jungen hetzen in eine entwurzelte Zukunft. Diese neue kollektive Unverbundenheit ist das große Thema unserer Zeit. Allein in Deutschland sagen 14 Millionen Menschen, dass sie sich einsam fühlen. Und spätestens seit Corona ist soziale Isolation globaler Status quo. Experten sprechen bereits von einer Epidemie, und das weltweit. Digitalisierung und Globalisierung führen zu einer neuen Form kollektiver Einsamkeit, die bislang kaum erforscht ist. Die Folgen sind riskant: Gesellschaften zersplittern, der Radikalismus erstarkt und bedroht unsere Demokratie.
Diana Kinnerts Buch “Die neue Einsamkeit” ist ein fundierter und dringend notwendiger Impuls, neu darüber nachzudenken, ob unsere streng nach kapitalistischen Gesichtspunkten ausgerichtete Gesellschaft dem Sozialwesen Mensch noch gerecht wird, und wie wir in Zukunft Individualität und gesellschaftliches Miteinander vereinbaren können. Wir sprachen mit Diana Kinnert:
Frau Kinnert, was ist das Neue an der von Ihnen beschriebenen Einsamkeit?
Studien machen deutlich: Es leiden nicht mehr nur alleinstehende, verwitwete Seniorinnen und Senioren im ländlichen Raum ohne Zugang zum Internet unter Einsamkeit, sondern entgegen allgemeiner Erwartung insbesondere eine junge Generation in den Städten. Das scheint erst paradox, denn diese Generation ist erreichbarer und vernetzter denn je. Die neue Einsamkeit zeichnet sich also nicht durch die Abwesenheit der anderen aus, sondern durch eine ganz eigene Verlorenheit. Die Beziehungen, die die Jungen führen, scheinen kein wirkliches Vertrauen, keine echte Intimität zuzulassen.
Über die sogenannten sozialen Medien ist es einfacher geworden, Kontakte zu pflegen. Wie kommen Sie zu der Annahme, dass sich die Menschen trotz zunehmender Vernetzung immer einsamer fühlen?
Das ist der wissenschaftliche Befund. Die Jungen, die Städter, die digital natives fühlen sich nach eigenen Angaben zunehmend einsam. Mich hat das genauso überrascht. Die Digitalisierung scheint nicht nur Möglichkeiten für Vernetzung zu schaffen, sondern auch die Art unserer Beziehungen zu beeinflussen. Und das wohl negativ: Wir inszenieren uns, verstecken Makel, verkaufen einander Trugbilder, konsumieren Beziehungen und bleiben dabei oberflächlich. Wo Konfrontation entsteht, wird stummgeschaltet und geblockt. Aber ohne Reibung keine Wärme. Ohne Nähe keine Nähe.
Warum wird Einsamkeit in der Gesellschaft eigentlich so tabuisiert?
Einsamkeit ist sehr schambehaftet. Wer einsam ist, denkt oft, es läge an ihm selbst. Es fehle an sozialen Kompetenzen, man sei nicht wert, dass andere Zeit mit einem verbringen wollen, man könne einfach nicht mithalten. Dabei hat Einsamkeit sehr oft außenstehende Gründe: Umzug, Berufswechsel, Beziehungsende, Krankheit, Stress. Es wäre bitter nötig, Einsamkeit offen und selbstbewusst zu besprechen.
Das ganze Interview finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 3/2021
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Zum Weiterlesen:
Diana Kinnert/ Marc Bielefeld, “Die neue Einsamkeit“, 448 Seiten, 22 Euro, Hoffmann und Campe