Irgendwie anders anders

Auch wenn ADHS heutzutage besser erkannt wird als früher, erhalten immer noch mehr Jungen die Diagnose. Mädchen und Frauen mit ADHS werden häufiger übersehen. Betroffene sind weniger hyperaktiv, dafür verträumt, unaufmerksam und vergesslich. Woher kommen diese geschlechtsspezifischen Unterschiede und was macht diese Frauen so stark?

In den vergangenen Jahren ist ADHS verstärkt in den Fokus gerückt. Auch die Berichterstattung in den Medien trägt dazu bei, das Bewusstsein und Verständnis für ADHS in der Gesellschaft zu stärken. Vor allem in den sozialen Medien teilen immer mehr Betroffene ihre persönliche Geschichte: Sie berichten über ihren Alltag und den langen Weg zu einer fachlichen Diagnose. Viele Menschen finden sich in der Symptomatik wieder und haben in der Folge den Mut, einen Facharzt oder eine Fachärztin aufzusuchen. Trotzdem: „ADHS wird bei Mädchen und Frauen immer noch unterdiagnostiziert“, weiß die Psychiaterin Lotta Borg Skoglund, die sich ausgiebig mit dem Thema „Mädchen und Frauen mit ADHS“ beschäftigt. Der Grund: Bei ihnen äußern sich die Symptome oft anders als bei Jungen und Männern, wodurch sie häufig übersehen werden.

Die richtige Diagnose

Doch eine richtige Diagnose kann eine lang ersehnte Erklärung für das eigene Verhalten und die inneren Empfindungen liefern. Zugleich ermöglicht sie den Zugang zu professioneller Hilfe. Doch warum wurde ADHS bei Mädchen und Frauen so lange übersehen? Und wie unterscheidet sich ihr Erleben von dem männlicher Betroffener?
Viele reden über ADHS, doch nur wenige wissen, was sich genau dahinter verbirgt. Fest steht: „ADHS ist eine anerkannte und gesicherte medizinische Störung und, wenn sie nach einer sorgfältigen und gründlichen Untersuchung gestellt wird, eine präzise psychiatrische Diagnose … Für die meisten Menschen mit ADHS bedeutet die Diagnose eine lebenslange Beeinträchtigung“, so Borg Skoglund. Die Abkürzung ADHS steht dabei für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung und meint damit weit mehr als eine problematische Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität. Die Symptome sind vielfältig und können sich bei jeder Person anders zeigen.

Die Vielfalt der Symptome

ADHS tritt nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen auf. Die Diagnose verschwindet nämlich in den meisten Fällen nicht mit dem Heranwachsen: „Untersuchungen zeigen, dass zwischen 50 und 75 Prozent der Kinder mit ADHS bis ins Erwachsenenalter und über die gesamte Lebensspanne hinweg mit beeinträchtigenden Symptomen zu kämpfen haben“, erklärt Borg Skoglund. Mit zunehmendem Alter sind aber Symptome wie Hyperaktivität und Impulsivität oft weniger ausgeprägt. Stattdessen können sie sich im Körper als Zustände permanenter innerer Unruhe oder Angst äußern, die von der Umwelt nicht erkannt werden. Diese können sich auch in Form von Schlafstörungen auswirken.

ADHS und Essstörungen

Viele Frauen mit ADHS kommen aufgrund des Gedankenstrudels und schlafraubender Ängste abends nicht zur Ruhe. Typisch für Menschen mit ADHS ist auch eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen und grellem Licht. „Manche Erwachsene mit ADHS hören oft, dass sie als ‚Nachteule‘ beschrieben werden oder dass es schon in der Kindheit eine echte Qual war, sie ins Bett zu bringen. Andere hören von ihren derzeitigen Partnern, dass sie sich im Schlaf ständig hin und her wälzen oder am Morgen kaum aufzuwecken sind“, sagt die Fachärztin. Auch sind signifikante Zusammenhänge zwischen ADHS und einer Essstörung zu beobachten. Fragt man Frauen mit ADHS nach ihren Ernährungsgewohnheiten und ihrem Körpergefühl, so geben etwa zehn Prozent zu, dass sie irgendwann in ihrem Leben mit einer Essstörung zu kämpfen hatten.

Oft übersehen: Mädchen mit ADHS

Auch wenn ADHS heutzutage besser erkannt wird als früher, erhalten immer noch mehr Jungen als Mädchen die Diagnose. Mädchen und Frauen mit ADHS werden oft übersehen, da ihre Symptome nicht dem klassischen Stereotyp des hyperaktiven Jungen entsprechen. Zudem neigen sie dazu, ihre Schwierigkeiten zu verbergen. „Schließlich zeigt ein ,gut angepasstes’ Mädchen in der Regel nichts von der Unruhe und Impulsivität, die wir von jemandem mit ADHS erwarten“, sagt Borg Skoglund. Und: „Die Erwartungen an das Verhalten von Mädchen und Frauen sind immer noch ungerechtfertigt hoch. Dies übt einen enormen Druck auf diejenigen mit ADHS aus, die sich ohnehin schon übermäßig anstrengen, um akzeptiert zu werden.“

Frauen suchen die Verantwortung bei sich

Bei Mädchen wird häufiger eine besondere Form von ADHS diagnostiziert. Die äußert sich darin, dass Betroffene sich nicht konzentrieren können, oft unaufmerksam wirken und sich leicht ablenken lassen. Diese Form wird dann als ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom) bezeichnet. Die Symptome bei Mädchen sind meist weniger offensichtlich und schwerer zu erkennen als die bei Jungen auftauchende Form von Hyperaktivität und Impulsivität. „Einfach ausgedrückt: Bei Mädchen wird häufiger die Form von ADHS diagnostiziert, die andere nicht stört. Sie hinken hinterher und scheitern in den Beziehungen mit Gleichaltrigen, ohne jemandem außer sich selbst Schwierigkeiten zu bereiten“, so die Expertin. Frauen und Mädchen suchen dann häufig die Verantwortung für negative Folgen bei sich selbst, obwohl diese in vielen Fällen durch die Herausforderungen ihrer ADHS-Symptomatik bedingt sind.
Miriam Stropel

Zum Weiterlesen: Lotta Borg Skoglund, Mädchen und Frauen mit ADHS, TRIAS Verlag, 23,99 Euro

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 2/2025

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