“Wir laufen einer falschen Vorstellung von Wohlstand hinterher”

Vivian Dittmar, Gründerin der Stiftung für kulturellen Wandel Be the Change, zeigt, warum sich eine Investition in inneren Reichtum lohnt und wie wir wirklich reich und glücklich werden. Ein Plädoyer für neue Werte und das Ankommen im Moment.

Schneller, höher, weiter – immer mehr Menschen erkennen, dass diese Maxime nicht zum Glück führt. Im Gegenteil, sie entfremdet uns von uns selbst und von allem, was das Leben wirklich reich und schön macht. Doch diese Erkenntnis alleine reicht nicht. Ja, sie lädt uns ein, innezuhalten, unsere Prioritäten zu hinterfragen und unser Leben neu auszurichten. Aber auf was? Was sind die neuen Werte, die es uns ermöglichen, nicht nur aus dem Hamsterrad auszusteigen, sondern im Ruhepol unseres eigenen Lebensrades anzukommen? Und wie könnte eine neue Definition von Wohlstand aussehen?

Die fünf Dimensionen echten Wohlstands

Diese Fragen haben mich persönlich fast ein ganzes Leben beschäftigt. Ich hatte das große Glück, bereits als kleines Mädchen mit meinen Eltern einige Zeit in einem traditionellen Dorf auf Bali zu leben. Dort machte ich eine verblüffende Entdeckung: Die Einwohner dieses Dorfes, in materieller Hinsicht arm, waren auf eine andere, schwer greifbare Weise reich. Es umgab sie eine selbstverständliche Heiterkeit, begleitet von einer inneren Ruhe, die ich in Deutschland vergeblich in den Gesichtern der Erwachsenen suchte. Mir war natürlich klar, dass ihr Leben in vielerlei Hinsicht deutlich schwieriger war als meines. Doch das machte meine Beobachtung nur umso erstaunlicher. Was war es am Leben meiner balinesischen Freundinnen, das sie offenbar so viel glücklicher machte als die reichen Menschen in Europa? Was hatten sie, das wir nicht haben? Heute weiß ich: eine ganze Menge. Sie hatten das, was ich heute „echten Wohlstand” nenne. Dieser hat nichts mit deinem Kontostand oder deinem Lebensstandard zu tun. Auch dein gesellschaftlicher Status spielt hier keine Rolle. Es geht um jene nicht-materiellen Aspekte des Lebens, die im balinesischen Dorf meiner Kindheit im Mittelpunkt standen und bei uns oft schmerzlich zu kurz kommen: Zeit, Beziehungen, Kreativität, Spiritualität und eine lebendige, tragfähige Verbindung mit der Natur.

1. Zeitwohlstand: Im Moment ankommen

Das Empfinden, keine Zeit zu haben, ist bei uns so weit verbreitet, dass es eigentlich schon normal ist. Dabei ist Zeit nicht etwas, das man hat oder nicht. Sie ist ein Phänomen, das wir erleben und dem wir alle unterworfen sind. Doch je mehr wir versuchen, in einen Tag, eine Woche oder einen Monat hineinzupacken, desto weniger Zeit scheinen wir zu haben. Zeitwohlstand erschließt sich also nicht durch Beschleunigung, sondern durch das genaue Gegenteil. Indem wir bewusst entschleunigen und dabei auch lernen, regelmäßig innezuhalten, kommen wir genau dort an, wo wir ohnehin die ganze Zeit sind: in diesem Moment. Wir erkennen, dass es nichts gibt, dem wir hinterherhetzen müssen und dass dieser Moment auch nicht durch irgendeinen Zeitvertreib gefüllt werden muss. Er ist einfach da und das ist gut so.

Zum Weiterlesen: Vivian Dittmar, “Echter Wohlstand”, Kailash Verlag, 20 Euro

Den ganzen Beitrag finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 4/2021

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