In Zeiten wie diesen fällt uns das Glücklichsein vielleicht nicht ganz so leicht. Da hilft es, wenn wir schöne Momente ganz bewusst wahrnehmen. Wir haben uns umgehört und Menschen nach ihren persönlichen Glücksmomenten gefragt.
Das kleine Glück wartet überall darauf, von dir entdeckt und abgeholt zu werden. Es schaut hinter jeder Ecke hervor, zwinkert dir zu und ist gespannt, ob du gedankenverloren an ihm vorbeigehst oder ob du stehen bleibst, staunst und dich daran erfreust. Viele kleine Momente und Möglichkeiten setzen sich zu etwas Großem zusammen. Manchmal nimmt man sie gar nicht wahr, manchmal verändern sie ein ganzes Leben. Von einer Kündigung bis zur Liebeserklärung, von einem Lächeln der Kassiererin bis zur dankbaren Umarmung eines guten Freundes … in der gemischten Tüte des Lebens ist alles enthalten!
Das Paradies im Augenblick
Ich litt an Liebeskummer und war besessen von dem Gedanken, in der Halle meditieren zu müssen, um meinen Schmerz zu stillen. Doch mein Lehrer war anderer Meinung. Er führte mich in den Garten und setzte mich vor einem riesigen Haufen gemähten Unkrauts. Dort gab er mir milde lächelnd den Auftrag, für die Küche alle wilden Minzpflanzen aus dem grünen Chaos herauszusuchen. Unter der glühenden Sommersonne begann ich hastig zu arbeiten. Denn ich wollte schnell wieder mit den eigentlichen, doch viel wichtigeren Dingen in der Meditationshalle fort fahren. Ich wühlte verbissen und wütend in dem Haufen, um nach einer Stunde verzweifelt festzustellen, dass kein Ende in Sicht war. Ich kam mir so ungerecht behandelt vor. Vom Leben und sowieso. Ich weiß nicht, nach wie vielen Stunden ich die Hoffnung aufgab, schnell fertig zu werden. Doch irgendwann gab ich mich dem Unkraut hin. Ich wollte nicht mehr fertig werden, sondern akzeptierte diesen Augenblick als mein Leben. Die Zeit blieb stehen und jedes grüne Blatt in meiner Hand wurde zu einer wundersamen Sensation. Mein Geruchssinn nahm plötzlich all die Duftnuancen der Kräuter und Gräser wahr. Ohne es irgendwie erklären zu können, war ich in der Gegenwart angekommen und entdeckte ihre Vollkommenheit. Seitdem habe ich den Zugang zu ihr Tausende Male wieder verloren, doch ich weiß, dass ich jederzeit zu ihr zurückkehren kann. Indem ich den Boden unter meinen Füßen spüre. Den nächsten Atemzug wie meinen letzten genieße oder die Hand eines geliebten Menschen staunend berühre. Unser Glück ist immer hier. Nur wir manchmal nicht.
Veit Lindau, Life Trust Akademie, Trainer und Redner
Alles ist möglich
Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal getan? Etwas, wovor du Angst hast und das Mut erfordert? Etwas, das du vielleicht seit einiger Zeit mit dir umherträgst und dich fragst, ob das alleinige Aussprechen schon alles verändern könnte. Noch bevor du überhaupt wagst, es zu tun. Es deswegen zurückhältst. Auf den richtigen Augenblick wartest. Nichts überstürzen möchtest. Pro Tag schwirren uns durchschnittlich bis zu 60.000 Gedanken durch den Kopf. Das ist jede Sekunde einer – die Zeit, in der wir schlafen, gar nicht mitgerechnet. Abwägen, nachdenken und grübeln, all das ist wichtig und schützt uns vor Gefahren. Doch – und das ist wissenschaftlich erwiesen – 92 Prozent unserer Sorgen und Ängste treten entweder niemals ein, gehören bereits der Vergangenheit an und sind damit nicht mehr zu ändern oder schlichtweg nebensächlich. Für die restlichen 8 Prozent (hauptsächlich aber wohl für die 92) reserviere ich jeden Tag 20 Minuten. Ich schreibe sie auf, schaue sie mir noch einmal genau an und frage mich: „Wie wahrscheinlich ist ihr Eintreten?“ Und: „Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn ›es‹ passiert?“ Ich nehme meine Ängste wahr und ernst. Ich überprüfe sie, um dann oft festzustellen: So schlimm ist es gar nicht. Denn am Ende bereue ich nur die Chancen, die ich nicht wahrgenommen habe. Aus allen anderen lerne ich. Es ist okay, nicht perfekt zu sein. Es ist okay, verletzlich zu sein. Es macht uns liebenswürdig. Es gibt vielleicht keine Garantie. Aber viele ungeahnte Möglichkeiten und Abenteuer, wenn du dich traust. Verpass sie nicht!
Saskia Rudolph, Kultur- und Glückswissenschaftlerin
Nur ein Lächeln
Ich habe sie angelächelt – und sie hat mein Lächeln erwidert! Das hört sich nach einem kurzen Flirt im Vorübergehen an, aber es war etwas völlig anderes. Ich kenne sie nicht, die junge Frau, die kurz nach mir ihren Einkaufswagen vor dem Supermarkt zurückstellen will, und die ein wenig warten muss, bis ich meinen ganz vorgeschoben habe, um ihn an die anderen Wagen anzuschließen. Beim Zurückgehen werfe ich ihr ein kurzes Lächeln zu, spontan, eigentlich ohne Grund. Und sie lächelt zurück. Nur ganz kurz, vielleicht für eine Sekunde. Aber ihr Lächeln zündet ein Licht in mir an, das noch lange brennt, den ganzen Rest des Tages und darüber hinaus. Ich habe lange darüber nachgedacht, warum mich dieses Lächeln so berührt hat – nicht nur in dem Augenblick, als ich es wahrgenommen habe, sondern noch Stunden und Tage später. Es gab keine rationale Erklärung dafür, warum mir diese Frau besonders aufgefallen war. Ich kann mich nicht an ihre Kleidung erinnern, nicht einmal an ihr Gesicht oder an ihre Haare. Und ich würde sie ganz sicher niemals wiedererkennen. Das Einzige, was in meiner Erinnerung lebendig bleibt, ist ihr Lächeln. Es hat ganz offensichtlich seine eigene Existenzberechtigung, völlig losgelöst von allem Äußeren, als Signal von Seele zu Seele.
Armin Zastrow
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