Der Geist ist gierig und unser Denken läuft meist auf Hochtouren, so dass wir einfach nicht mehr abschalten können. Safi Nidiaye erklärt, wie wir unser Gedankenkarussell stoppen können
Ich kann nicht aufhören zu denken: Ein Gedanke jagt den nächsten. Was kann ich nur dagegen tun?“ Sätze wie diese höre ich immer wieder. Heute scheinen wir mehr denn je dem „Denkzwang“ unterworfen zu sein, wir sind nicht mehr in der Lage, das „Geplapper“ in unserem Kopf abzustellen und zur Ruhe zu kommen. Manchmal hält es uns nachts wach, oft hindert es uns aber auch daran, aufmerksam zu sein für das, was in und um uns herum geschieht. Es kann sehr quälend sein.
Denken ist ein geistiger Verdauungsprozess. Eindrücke und auch Informationen müssen verarbeitet werden: analysiert, zerlegt, anderen Eindrücken zugeordnet, gelagert oder gelöscht. Wie beim körperlichen Verdauungsprozess geht es darum, das Aufgenommene so zu verarbeiten, dass das, was verwendet werden kann, assimiliert und das, was nicht gebraucht wird, ausgeschieden wird.
Wenn pausenloses Grübeln zur Qual wird
Aber was geschieht mit einem Verdauungssystem, das zu viel Nahrung bekommt, zudem in chaotischer Folge und sinnloser Zusammenstellung und ohne Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse? Stellen Sie sich einen Menschen vor, der von morgens bis abends und oft auch noch nachts in völlig zufälliger Weise alles in seinen Körper hineinstopft, was ihm begegnet, und zusätzlich auch noch Nahrung aufgedrängt bekommt. Überall begegnen ihm Nahrungsangebote, und er folgt allen, und das Tag für Tag. Unser Verdauungssystem ist dafür natürlich nicht ausgelegt. Es kommt zurecht mit Nahrung, die seinen Bedürfnissen entspricht, in nicht allzu großen Portionen und am besten mit großen Pausen dazwischen. Wer zu viel und zu oft isst, überfordert die Organe und gönnt der Verdauungstätigkeit keine Ruhe. Er ist mit Nahrung und Nahrungsabfällen überlastet und zugleich ausgehungert, weil die wertvollen Inhaltsstoffe nicht mehr assimiliert werden können.
Unser geistiges Verdauungssystem kommt der Flut an Nachrichten nicht mehr hinterher
Genauso ergeht es unserem geistigen Verdauungssystem. Wir sind „überfressen“ und zugleich unzufrieden und wollen immer mehr. Ein paar Millionen Jahre lang haben wir keine indirekte Kommunikation gekannt (höchstens über Trommeln oder Telepathie) und nur wenige Eindrücke zu verarbeiten gehabt. Seit etwa hundertsechzig Jahren aber kennen wir das Telefon, seit über hundert das Radio, seit neunzig Jahren das Fernsehen und seit bald dreißig Jahren das Internet. Und die mobile Telefonie begann ihre explosionsartige Ausbreitung vor etwas mehr als zwanzig Jahren. Ein exponentielles Wachstum der Informationsmenge, die wir zu verarbeiten haben!
Wenn Sie nun berücksichtigen, dass das Denken eine Art „Wiederkäuen“ von Informationen und Eindrücken ist, um sie verdauen zu können, dann ist es ganz logisch, dass wir nonstop denken und die Gedankentätigkeit überhaupt nicht mehr abschalten können, außer im Schlaf, in Hypnose oder in tiefer Meditation. Unser geistiger Verdauungsprozess kommt nicht hinterher.
Diesen Denkprozess irgendwie gewaltsam abschalten zu wollen würde das Problem nicht lösen, nur verschieben. Denn die Eindrücke wollen nun mal verarbeitet werden. Es verlagert das Problem in den Schlaf, in die Träume oder auch auf die körperliche Ebene, wo es sich dann vielleicht tatsächlich als Verdauungsstörung äußert.
Was hilft: Eine Auszeit in der Natur
Wir müssen an die Ursachen heran. Es gibt drei: das „Überfressen“ mit Information, Emotionen und Elektrosmog. Wenn Sie dem Denkzwang entrinnen möchten, müssen Sie also erstens Informationen aktiv auswählen, statt sich passiv hineinziehen zu lassen, die digitalen Medien konzentriert und mit Bewusstsein nutzen und nur für das, was einem wirklich wichtig ist, und sich viele kleine und größere Pausen gönnen, in denen keinerlei Information hereinkommt und man spazieren geht, Sport treibt, sich Hand- oder Handwerksarbeiten hingibt – alles, was in den Körper, auf die Erde, in die Realität des gegenwärtigen Augenblicks zurückbringt. Natürlich wird der Denkprozess auch während solcher Pausen weitergehen, ebenso wie der körperliche Verdauungsprozess nicht plötzlich aufhört, während wir nicht essen. Aber Sie nehmen in diesen Pausen keine neue Nahrung auf. Dann gilt es zweitens, die Emotionen zu entdecken, die Sie im Denken festhalten, und drittens, den Elektrosmog zu reduzieren…
Safi Nidiaye
Buchtipp: Safi Nidiaye, “Probleme sind zum Lösen da”, Integral Verlag
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 2/2023
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