Das Geheimnis einer starken Beziehung

Gesehen, wertgeschätzt und sich geliebt fühlen – das wollen wir alle. Doch wie kann ich meine Bedürfnisse klar und wirksam kommunizieren? Nicole LePera erklärt, wie du deine Gefühle kundtun, deine Wünsche äußern und Grenzen setzen kannst

Wenn wir uns unserer emotionalen Bedürfnisse bewusst werden, dann geben wir uns die Oberhoheit über unsere Lebenserfahrung. In diesem selbstbestimmten Zustand erkennen wir, dass wir unser Leben selbst in der Hand haben und wir neigen nicht mehr so stark dazu, andere oder unsere Lebensumstände für unsere Erfahrungen verantwortlich zu machen. Wenn wir für unsere verschiedenen emotionalen Erfahrungen die Verantwortung übernehmen und sie mit anderen teilen, tragen wir unseren Teil dazu bei, emotionale Nähe zu schaffen. Fühlen wir uns in unseren Beziehungen sicher, wertgeschätzt und geliebt, können wir uns auch verletzlich zeigen und um Bestätigung oder Hilfe bitten. Wenn dir nun bewusst wird, dass einige (oder alle) deine Bedürfnisse in deinen unterschiedlichen Beziehungen nicht erfüllt werden, dann ist es hilfreich, dich mit folgenden zwei Fragen auseinanderzusetzen:

Zwei Fragen an deine Beziehung

  1. Habe ich meinem Partner oder meiner Partnerin je klar gesagt, was ich brauche oder wünsche beziehungsweise was ich nicht brauche oder möchte?
    Vielen von uns fällt es nicht weiter schwer, klar zu sagen, welche Probleme sie mit ihrem geliebten Menschen haben oder was sie nicht wollen. Aber damit unsere Bedürfnisse erfüllt werden können, sollten wir auch verdeutlichen, was genau wir wollen oder brauchen. Das schafft Klarheit, fördert ein Klima des Miteinanders und wir haben einen gemeinsamen Nenner. Statt zu schimpfen: „Ich bin dir gar nicht mehr wichtig, wenn du woanders bist“, können wir fragen: „Könnten wir uns vor dem Schlafengehen nicht noch gegenseitig eine Nachricht schreiben, wie unser Tag gelaufen ist? Dann würde ich mich dir auch mehr verbunden fühlen, wenn du auf Dienstreise bist.“ Statt den geliebten Menschen anzuschreien: „Du hörst mir einfach nicht zu!“ können wir einfach bitten: „Können wir uns mal unterhalten, ohne dass einer von uns sich vom Telefon ablenken lässt? Dann kann ich dir leichter meine Gedanken und Gefühle schildern.“
  2. Wie kann ich mir ein Bedürfnis oder einen Wunsch selbst erfüllen, wenn mein geliebter Mensch unfähig oder nicht bereit ist, das zu tun?
    Wenn du nicht sicher bist, wie du diese Frage beantworten sollst, dann ist das in Ordnung. Habe Geduld und Mitgefühl mit dir selbst. In jeder Partnerschaft, in der die Beteiligten sich aufeinander einstellen, ist Unterstützung eine Frage von Geben und Nehmen. Dass mal die eine mehr Unterstützung braucht, dann wieder der andere, ist ein ganz normaler Zustand, ja gerade notwendig, je nachdem, wer gerade mehr Energie zur Verfügung hat. Kein einzelner Mensch kann ständig alle Bedürfnisse eines anderen erfüllen. Es ist also durchaus sinnvoll, außerhalb der eigentlichen Partnerschaft noch andere Menschen zu haben, an die wir uns wenden können.

Viele Menschen finden es schwierig, über ihre Gefühle zu sprechen, selbst in langjährigen Beziehungen. Wir wollen unbedingt geliebt werden und haben Angst, den anderen „zu verlieren“, wenn wir nötige Grenzen setzen oder um Hilfe bitten. Das gilt vor allem, wenn unsere Gefühle in der Kindheit ignoriert oder abgelehnt wurden. Und wenn wir unseren Ego-Geschichten glauben, dass wir es nicht wert sind, dass man unsere Bedürfnisse erfüllt, dann unterdrücken oder leugnen wir unsere Gefühle weiterhin. Aber wenn wir ständig so tun, als wären wir „unabhängig“ und „stark“ oder als wären wir nie wütend oder bräuchten nie Hilfe, dann können wir die Sicherheit und Verbundenheit nicht entwickeln, die wir brauchen, um zu gedeihen. Wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Gefühle kundzutun und Grenzen zu setzen, können wir auch nicht erwarten, uns in unseren Beziehungen sicher, wertgeschätzt und geliebt zu fühlen.

Emotionale Bedürfnisse besser kommunizieren

Die folgenden drei Punkte helfen uns, mit anderen Menschen besser zu kommunizieren:

  1. Achte auf das Timing
    Wenn unsere Partnerin abgelenkt, deprimiert, verletzt, eifersüchtig, unsicher oder in ihre eigenen Traumata verstrickt ist, wird sie unsere Bedürfnisse nicht verstehen, und wenn wir sie noch so klar äußern. Auch wir selbst müssen uns in unserem Körper sicher fühlen, damit wir unsere Bedürfnisse nachvollziehbar und erfolgreich formulieren können. Unglücklicherweise fangen viele Menschen ausgerechnet dann an, über ihre Gefühle zu reden, wenn sie aufgeregt sind, mitten in einer Auseinandersetzung stecken oder von ihrem Gegenüber missachtet werden, weil er oder sie in einer automatischen Stressreaktion gefangen ist. In solchen Augenblicken fühlt sich niemand sicher. Achte darauf, dass ihr beide euch ruhig, geerdet und präsent fühlt, wenn du deine Bedürfnisse schilderst.
  2. Teile deine Absicht mit
    Meist sagen wir gar nicht, warum wir unsere Wünsche und Bedürfnisse mit der anderen Person teilen wollen, ob es nun darum geht, dass wir uns in Gegenwart des anderen sicherer fühlen wollen oder dass wir die Bindung zwischen uns stärken möchten. Also überlege dir, was genau dein Anliegen ist, bevor du das Thema Wünsche ansprichst, und sei es nur, dass du die Beziehung verbessern möchtest. Wenn wir das „Warum“ des Gespräches offenbaren, fällt es dem anderen sehr wahrscheinlich leichter, unseren Blickwinkel zu verstehen.
  3. Wähle deine Worte weise
    Wenn wir anderen Menschen unsere emotionalen Bedürfnisse schildern, sollten wir auf Kritik, Schuldzuweisungen oder ähnliches verzichten. Am besten verwendest du gar keine „Du-Aussagen“, sondern gebrauchst nur Ich-Sätze. Auch Formulierungen, aus denen eine Alles-oder-Nichts-Haltung spricht, solltest du besser vermeiden: „Du sagst immer X, Y oder Z.“ Oder: „Du machst nie A, B oder C!“ Das aktiviert nur das Ego – unseres ebenso wie das der Partnerin und dann fühlen wir uns beide bedroht, sodass plötzlich unsere Differenzen im Vordergrund stehen und wir uns auf den Blickwinkel des anderen gar nicht mehr einlassen können. Und das wiederum macht uns unfähig, ein produktives Gespräch zu führen und das Problem gemeinsam anzugehen, um unser beider Interessen zu berücksichtigen.

Hier ein paar Beispiele, wie du deine emotionalen Bedürfnisse klar und wirksam kommunizieren kannst:

„Ich hatte einen schlechten Tag und brauche Unterstützung. Hast du genug Zeit und Energie, um mir jetzt oder irgendwann in den nächsten Stunden zuzuhören?“

„Ich finde einfach keine Lösung für ein Problem, das ich bei der Arbeit habe. Ich würde so gerne hören, was du davon hältst. Darf ich dir das Ganze mal schildern und um deinen Rat bitten?“

Zum Weiterlesen: Nicole LePera, Heile. Deine. Beziehungen., Arkana Verlag, 24 Euro

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 3/2024


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