Wer kennt das nicht? Alles läuft wie geschmiert, und plötzlich geht etwas schief – zum Aus-der-Haut-Fahren! Wir könnten unserem Leben aber mehr Glücksmomenteschenken, wenn wir ein wenig gelassener reagierten. Hier die besten Ärgerkiller.
In puncto Ärger, Aggressivität und Wut heißt es oft: „Lass es raus!“ Man kann seinen Ärger nicht ständig herunterschlucken oder in sich hineinfressen. Dem steht die ebenso vertraute Aufforderung gegenüber: „Beherrsch dich mal!“ Welche der beiden Maximen gilt denn nun: Wut und Ärger ausleben oder einfach runterschlucken? Die überraschend neue Erkenntnis lautet: keine von beiden. Denn beide Handlungsweisen stellen den Ärger zu sehr in den Mittelpunkt, fachen ihn an wie ein Feuer, in das man immer wieder neues Holz hineinwirft.
Wird der Ärger zum Beispiel durch Brüllen, Einschlagen auf Gegenstände oder durch körperliche Aggressivität gegen andere ausgelebt, kann das außerordentlich negative Konsequenzen für uns haben – im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe. Selbst wenn wir nicht bis zum Äußersten gehen, so hat das Ausleben von Wut immer den Effekt, dass sie sich noch weiter steigert. Die Idee vom Dampfablassen stimmt also nicht, denn der Dampf wird immer mehr. Der Kopf wird rot, der Blutdruck steigt – das ist alles nicht gut und keine Lösung.
Und warum soll das Sich-Beherrschen nicht gut sein? Nun, auch da konzentrieren wir uns auf den Ärger, auf das negative Gefühl. Wir versuchen zwar, es in Schach zu halten, aber das Bild des Dampfkessels, in dem der Druck bis zum Platzen zunimmt, drängt sich einem in diesem Fall erst recht auf.
Das Prinzip der Achtsamkeit bietet einen dritten Weg. Statt den Ärger ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu stellen, distanzieren wir uns innerlich von ihm, ohne ihn zu leugnen. Wir nehmen unseren Ärger wahr, stellen uns aber vor, dass er peripher bleibt und an uns vorbeizieht.
Ein Bild, das sich hierfür anbietet, ist das vorbeiziehender Wolken: Wir stellen uns den Ärger als Wolken vor, die an uns vorbeiziehen und die sich verziehen, bis der Himmel wieder blau ist. Glauben Sie uns, das funktioniert tatsächlich. Und das umso besser, je öfter wir uns dieses Bild vorstellen. Übung macht den Ärger-Killer-Meister. Und es ist auch noch kein Ärger-Meister vom Himmel gefallen.
Meine persönliche Musiktherapie
Es gibt nicht vieles, das man sich von Teenagern abschauen sollte. Noch uneins mit sich selbst und der Welt, an Leistung und Lebensstruktur eher weniger interessiert, zum Fremdschämen unhöflich – das sind nur einige Attribute, die fast jeder bestätigen wird, der näheren Umgang mit jungen Menschen in dieser schwierigen Übergangsphase hat. Doch eines muss man den meisten Teenagern lassen: Sie verstehen es unglaublich gut, ihre Emotionen und vor allem auch ihren Frust in ihrer ganz persönlichen Musik auszuleben und sich von dieser gewissermaßen trösten zu lassen (wenn das auch ein ziemlich uncooles Wort ist). Über Geschmack lässt sich dabei wie immer streiten, auch über Lautstärke. Nur eines ist sicher: So intensiv wie in der Jugend wird man Musik selten wieder erleben. Und so werden sich die meisten von uns auch heute noch daran erinnern, welche Songs sie in ihrer Jugend begleitet, geprägt und, ja, auch getröstet haben. Dieses Gefühl von damals sollten wir nicht ganz verlieren. Die Songs, bei einigen vielleicht auch die Sinfonien oder Opern, die den Soundtrack unserer Jugend gebildet, die unsere erste Liebe und unseren ersten Liebeskummer, die ungebremste Euphorie und tiefe Melancholie untermalt haben – diese Musik können wir auch heute noch für uns nutzen. Sie ist nämlich tief in unserem Gehirn verankert. Engrammiert heißt das in der Neurobiologie. Dadurch bringt sie uns nicht nur ein stückweit zu unserem jugendlichen Ich zurück, sondern erzeugt intensive Emotionen, die den aktuellen Ärger zusammenschmelzen lassen können wie Butter in der Sonne.
Versuchen Sie es einmal: Laden Sie sich einen alten Song aus Ihrer Jugendzeit auf Ihr Smartphone und hören Sie ihn das nächste Mal, wenn Sie sich ärgern. Schließen Sie die Augen, versetzen Sie sich zurück in die Zeit, als Sie diesen Song das erste Mal gehört haben, wippen Sie mit dem Fuß zum Rhythmus oder tanzen Sie sogar dazu. Sie werden sehen: das wirkt ganz sicher.
Suchen Sie sich ein Ärgerkiller-Vorbild
Es gibt Leute, die bringt nichts aus der Ruhe. Diese Leute scheinen ihre Ruhe auch auf andere zu übertragen. Weswegen wir ihre Gesellschaft gern suchen, während wir diejenigen eher meiden, denen wir Verärgerung oder gar Wutausbrüche zutrauen oder bei denen wir sie schon erlebt haben. In der Gesellschaft „sanfter“ Menschen fühlen wir uns nicht nur besser, wir können von diesen Menschen auch einiges lernen. Meist handelt es sich um Naturtalente im Ruhig-Bleiben und Nicht-Ärgern. Fragt man solche Menschen, antworten sie meist mit einem Achselzucken und sagen vielleicht noch so etwas wie „Ich rege mich eben nicht so auf“ oder „Es lohnt nicht, sich über so etwas zu ärgern“. Wobei im zweiten Beispiel unbewusst eine tiefere Erkenntnis steckt – die von der Endlichkeit aller Wesen und Dinge.
Diese alles relativierende Erkenntnis lässt unser Ärgerproblem so nichtig erscheinen, wie es tatsächlich auch ist. Auch wenn solche Anti-Ärger-Experten über ihre Lebensphilosophie nur spärlich Auskunft geben und diese ganz einfach leben, lohnt es sich, sie in Situationen zu beobachten, in denen wir selbst aus der Haut fahren würden. Was tut unser Ärger-Killer-Vorbild in solch einem Moment? Macht er oder sie einen Witz darüber? Oder eine zynische Bemerkung? Oder lächelt er einfach über die Situation hinweg? Schlägt er vor, erst einmal eine Pause zu machen und eine Tasse Tee zu trinken? So lassen solche Naturtalente den Ärger an sich abprallen und im Nichts verpuffen.
Schauen Sie diesen Menschen beim Nicht-Ärgern zu und schneiden Sie sich davon ruhig eine Scheibe ab. Die Betonung liegt auf ruhig. Und noch etwas: Es muss sich bei den Ärger-Killer-Vorbildern nicht immer um Menschen handeln. Oder haben Sie schon einmal eine Katze gesehen, die sich ärgert?
Joggen Sie Ihren Ärger weg
Ärger hat eine ganze Menge mit Stress zu tun und ist einer der wichtigsten Stress-Verstärker überhaupt. Wenn wir uns ärgern, machen wir aus einer Mücke einen Elefanten. So setzen wir die gesamte Stress-Kaskade in Gang, die zu einer Mehrproduktion des schädlichen Stress-Hormons Cortisol führt. Cortisol erhöht unseren Blutdruck, den Blutzuckerspiegel und kann langfristig das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen. Es ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass chronischer Ärger zu chronischem Stress führt und uns krank macht. Am besten gegen den Abbau eines erhöhten CortisolSpiegels ist körperliche Bewegung. Die Natur hat unser Stresssystem genau dafür erfunden, dass wir in bedrohlichen Situationen ein Plus an Energie bereitgestellt bekommen, um uns zu bewegen – entweder um zu kämpfen oder um zu fliehen. Auf diese Weise bauen wir die Energie dann wieder ab, und der Cortisol-Spiegel sinkt auf sein Ausgangsniveau zurück.
Erfreulicherweise müssen wir uns nicht wie Steinzeitmenschen verhalten, um diesen Effekt zu erzielen. Wir müssen uns mit der Ursache unserer Verärgerung weder sofort körperlich auseinandersetzen noch direkt vor ihr fliehen. Es reicht schon aus, wenn wir uns zeitnah am selben Tag in irgendeiner Weise bewegen, indem wir eine halbe Stunde spazieren gehen oder ein paar Kilometer joggen. Ihr Körper wird es Ihnen mit Wohlbefinden und einer besseren Gesundheit danken.
Genießen Sie ein Stück Schokolade
Was könnte eine bessere Entspannungsübung sein, als etwas ganz bewusst zu genießen? Zum Beispiel ein Stück Ihrer Lieblingsschokolade. Zum Genuss gehört aber auch eine innere Haltung, die vor allem durch eines geprägt ist: Langsamkeit.
Langsamkeit gilt heutzutage als ziemlich uncool. James Bond wäre nicht der Held unserer Zeit, müsste er vor jeder Actionszene erst einmal in Ruhe darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun ist. Und alles, was es in seinem Leben zu genießen gibt, nimmt er sich ganz schnell zwischendurch, um danach sofort mit der Rettung der Welt fortzufahren.
Doch James Bond ist ein ebenso unterhaltsames wie unrealistisches Gebilde. Normale Menschen wären von dem Ärger, den er bei einer einzigen Verfolgungsjagd am Hals hat, hoffnungslos überfordert. Schon die Anforderungen unserer beschleunigten Welt sind den meisten Menschen zu viel. Und so werden die Rufe nach Entschleunigung immer lauter und unzählige Seminare werden zum Thema abgehalten. Das ist auch sehr zu begrüßen und auch Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern solche Seminare viel häufiger anbieten, um stressbedingte Erkrankungen und Burn-out bei den Mitarbeitern zu vermeiden.
Im Alltag können wir es aber auch einfacher haben. Indem wir das Wort „langsam“ denken oder langsam aussprechen, kommen wir innerlich schon etwas zur Ruhe. Lassen wir dazu die Arme noch langsam absinken, ist der Effekt noch stärker. Langsamkeit macht im Übrigen nicht nur jeden Genuss schöner und intensiver. Auch in ärgerlichen Situationen wirkt Langsamkeit als echter Ärger-Killer. Stellen Sie sich vor, Sie müssen das Papierfach Ihres Druckers auffüllen, das leider klemmt. Statt wütend daran herumzuruckeln und es dadurch vielleicht sogar noch mehr zu verkanten, sagen Sie lieber zu sich selbst: „Jetzt erst einmal langsam!“ Um dann das Problem mit ein paar überlegten Handgriffen zu lösen. Ohne Ärger.
Atmen Sie drei Mal tief durch
Es bedarf nicht immer gleich einer Meditationssitzung, um den Geist zur Ruhe zu bringen. In einer akuten Ärgersituation, an der zum Beispiel auch andere Menschen beteiligt sind, wäre es eher unangebracht, den Lotussitz einzunehmen und sich in eine Tiefenentspannung zu versetzen. Es ist aber durchaus möglich, auch in einer solchen Situation mithilfe einfacher Maßnahmen ein paar Gänge herunterzuschalten. Indem Sie drei Mal bewusst tief ein- und ausatmen, können Sie die Stressreaktion Ihres Körpers messbar abschwächen.
Besteht die Möglichkeit, sich kurz zurückzuziehen, beispielsweise auf die Toilette, schließen Sie dort die Augen, ziehen beim Einatmen die Schultern hoch und lassen Sie sie beim Ausatmen wieder absinken. Stellen Sie sich dabei vor, wie Sie den gesamten Ärger abatmen und von sich abschütteln. Zählen Sie die Atemzüge bewusst mit. Drei Atemzüge bringen schon eine ganze Menge – zehn sind schon deutlich wirksamer. Auch wenn sich in einer akuten Ärgersituation die Gegenwart anderer Menschen nicht vermeiden lässt, weil Ihr Chef Sie zum Beispiel gerade tadelt oder ein Kollege Ihnen unberechtigte Vorwürfe macht, ist es nützlich, die Aufmerksamkeit für kurze Zeit auf den Atem zu lenken. Natürlich nicht mit geschlossenen Augen und hochgezogenen Schultern, weil das als Provokation empfunden werden könnte. Allein das bewusste Wahrnehmen dreier ruhiger Atemzüge hat schon einen positiven Effekt.
Damit werden nicht all Ihre Probleme gelöst, aber Ihre Reaktion wird ein wenig schwächer ausfallen. Versuchen Sie es einfach mal! Viele Alltagssituationen bieten sich dafür an: vom Warten an der Kasse im Supermarkt über den unvorhergesehenen Stau auf der Autobahn bis hin zur verschütteten Milch, über die man bekanntlich ja ohnehin nicht weinen soll.