Achtsam Joggen:
Die neue dynamische Laufmethode

Wer gern joggt oder hin und wieder spazieren geht, kennt das beglückende und erhebende Gefühl, ganz im Moment aufzugehen. Manche nennen es „Flow“. Die Verbindung von körperlicher Aktivität mit der Lehre der Achtsamkeit ist eine perfekte Methode, um Stress und Depressionen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Vielleicht kennen Sie selbst dieses Gefühl: Sie haben einen langen Spaziergang in der Natur gemacht oder sind an einem Fluß entlang gejoggt, und auf einmal erleben Sie einen Moment der inneren Klarheit, so als würde sich alles in Ihrem Leben von allein zurechtrücken. Dieses Gefühl, das auch als Flow bezeichnet wird, ist das Ziel, worum es dem amerikanische Psychotherapeut William Pullen bei seiner Methode des Dynamischen Laufens geht.
„Die Dynamische Lauf-Methode (DLM) ist eine effektive, ansprechende und schrittweise funktionierende Methode, mit der Sie problematische Gefühle und Situationen in Ihrem Leben bewältigen können – und zwar mit Bewegung,“ so der Psychotherapeut und Autor des Buches „Run for your Life“. Er ist davon überzeugt, dass durch die Kombination von Körpertraining, also beispielsweise regelmäßiges Lauftraining, und der uralten Lehre von der Achtsamkeit zu einem rundum gesunden und erfüllten Leben führt.

Bewegung ist die beste Therapie

Kurz: Bewegung ist Therapie. Eine wirksame Therapie für alle möglichen Befindlichkeitsstörungen wie Angstzustände, Stress, Nervosität oder Depression, für Menschen, die sich fühlen, als würden sie „feststecken“. In solchen Fällen kann regelmäßige Bewegung wahre Wunder bewirken. Sie ist auch entscheidend dafür, um innerlich zu wachsen und Konflikte bewältigen zu können. Lösungen für anstehende Probleme können einem dabei ganz einfach „zufliegen“.
Das Ausleben und Ausagieren unseres Körpers ist einer der zuverlässigsten Wege, um uns stärker im Einklang mit uns selbst zu befinden. Bewegung verändert die Perspektive und sorgt so für Klarheit, was zu mehr Hoffnung und Antrieb führt. Pullen drückt es so aus: „Dieser kraftvolle Prozess des mit-den-Gefühlen-, In-die-Gefühle- oder Durch-die-Gefühle-Hindurchgehens beziehungsweise -Laufens kann erstaunlich erhellend und befreiend sein und bildet den eigentlichen Kern der Dynamischen Lauf-Methode.“

Die Dynamische Lauf-Methode

Wer es einmal mit Pullens Lauf-Methode versuchen will, der halte sich an die folgenden drei Schritte:

1. Grounding
Bevor wir mit dem eigentlichen Lauftraining beginnen, geht es darum, dass wir uns entspannen und in die richtige Stimmung für das Dynamische Laufen versetzen. Der Sinn des Groundings besteht für Pullen darin, sich zu Beginn ganz bewusst zu vergegenwärtigen, was wir fühlen und wo wir uns befinden. Es geht darum, sich zu fragen, wie sich unser Körper in diesem Moment anfühlt. „Achten Sie darauf, wie Ihre Gedanken kommen und gehen. Nehmen Sie sie zur Kenntnis und lassen Sie sie wieder ziehen … Das Ziel ist, in Ihrem Körper zu bleiben, in diesem Moment,“ rät Pullen.
Danach sollten wir unsere Aufmerksamkeit vom Körper auf die Umgebung, in der wir uns befinden, verlagern. Wir schauen uns dazu am besten in aller Ruhe um und registrieren dabei alles, was unsere Sinnesorgane wahrnehmen: was wir sehen, riechen und hören. Es geht auch hier darum, sich ganz auf den gegenwärtigen Augenblick einzulassen. Anschließend konzentrieren wir uns wieder auf das, was sich innerlich bei uns im Moment tut. Die Frage hierzu lautet: „Was fühle ich genau jetzt?“ Wichtig ist, dass wir dabei auf die Bewertung unserer Gefühle verzichten.
Zum Schluss des vorbereitenden Grounding-Prozesses, für den wir uns ganz bewusst die Zeit nehmen, können wir uns eine für uns momentan relevante Frage überlegen, auf die wir uns bei unserer Laufrunde konzentrieren. Eine solche könnte beispielsweise lauten: „Wo kommt der Großteil meiner Ängste her?“ oder: „Wie kommt es, dass meine Beziehungen immer wieder scheitern?“

2. Sich mit einer Absicht bewegen
Nun beginnen wir mit dem Laufen. Dabei geht es darum, dass wir alles das, was uns auf unserem Weg begegnet, einfach ohne jede Wertung zur Kenntnis nehmen. Das bezieht sich auf unsere Umwelt genauso wie auf unsere innere Welt und auf die Frage, die wir uns überlegt haben und die fortan in uns „arbeitet“. „Wenn Sie merken, dass Sie über andere Themen oder Belange nachdenken, ist das kein Problem. Wo Sie dabei landen, ist zweitrangig, wichtig ist aber immer, dass Sie darauf achten, wie es Ihnen mit sich selbst geht. Betrachten Sie sich mit gütigen Augen. Wenn Sie bei dem Prozess geduldig sind und sich nicht unter Druck setzen, wird sich Selbstakzeptanz einstellen,“ so Pullen.

3. Aufschreiben
Schließlich empfiehlt er, dass wir uns nach dem Laufen, in Form eines Tagebuchs all das aufschreiben, was sich während des Laufens in unserem Inneren getan hat. Dieses Tagebuch kann dann zu einem ständigen Begleiter unseres Lebens werden, in dem wir später nachschlagen können, um uns die Gedanken, die wir während des Laufens hatten, immer wieder zurückzuholen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass wir unsere Gedanken perfekt formulieren.
„Wenn Sie etwas zu sagen haben, kritzeln Sie es hin, ohne es durch einen Filter laufen zu lassen und zu prüfen, ob es auch wertvoll genug ist. Versuchen Sie sich beim Schreiben nicht zu korrigieren – lassen Sie stattdessen die Wörter fließen. Das Festhalten Ihrer Eindrücke und Gefühle ist eine Art Vorlage für die sorgsame, interessierte Beziehung zu sich selbst, die das Zentrum eines emotionalen Wohlbefindens bildet,“ so Pullen.

Die Heilkräfte der Natur nutzen

Alles das, was wir zu unserer psychischen Gesundheit und Wiederherstellung eines inneren Gleichgewichts benötigen, hält die Natur für uns bereit. Suchen Sie sich also für das achtsame Laufen einen Weg durch den Wald, im nahegelegen Park oder an einem Fluss. Die Natur hält überall die unglaublichsten Heilkräfte für uns bereit. „Die genetische Veranlagung, durch die Natur zu gedeihen, befindet sich auch heute noch in unserer DNA und ist ein zentraler Inhalt der Dynamischen Lauf-Methode,“ sagt Pullen.
Das Dynamische Laufen vermag uns immer wieder das beglückende Gefühl des „Flow“ nahezubringen. Gerade jetzt, wenn die Tage wieder länger und wärmer werden ist der ideale Zeitpunkt, um damit zu beginnen. Wenn wir dabei das Prinzip der Achtsamkeit beherzigen, uns also in jedem Moment ganz auf das Hier und Jetzt einlassen und uns von jeder Bewertung der eigenen Sinneseindrücke und Gedanken freimachen, kann es geschehen, dass wir auf einmal unsere Ängste und Sorgen der freien Natur übergeben und eine neue Selbstakzeptanz spüren. Also, worauf warten Sie noch?
Susan Freytag

Weitere interessante Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 2/2018

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