Die Kunst der achtsamen Sprache

Wer bewusst kommuniziert, ist präsent – und zugleich im Kontakt mit sich selbst und seinem Gegenüber. Die Psychologin Indrani Alina Wilms kennt die Vorteile von achtsamer Sprache und erklärt, was es dabei zu beachten gilt.

Warum musst du immer …?“ – „… deine Socken liegen lassen?“, „… mit dem Essen rummatschen?“. „Wieso kannst du nie …?“ „… zuhören, wenn ich dir was zu sagen habe?“, „ …dein Zimmer aufräumen?“ Bestimmt hast du solche Satzanfänge auch schon oft gehört oder selbst gesagt. Insbesondere bei Konfliktgesprächen, bei unseren Lieben oder wenn wir gestresst sind. Da sprudelt dann schnell so ein Satz ungewollt aus unserem Mund. Und was passiert dann? Anstatt dass der Partner seine Socken wegräumt oder das Kind ordentlich isst, bricht ein Streit vom Zaun. Dann kommt bei meinem Gegenüber nicht an, was ich mir wünsche. Er oder sie hört nur einen Vorwurf, fängt an, sich zu rechtfertigen, was meist wiederum zu Vorwürfen mir gegenüber führt. Und schon befinden wir uns in einem sprachlichen Hamsterrad.

Den Blick nach innen richten

Die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren ist wesentlich für unser Miteinander. Positiv gewählte Worte wirken auch positiv. Wie wäre es deshalb, wenn wir lernen, in Zukunft achtsamer mit unserer Sprache umzugehen? „Glücklicherweise entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, bewusster zu leben“, so die Psychologin und Achtsamkeitsexpertin Indrani Alina Wilms. Achtsamkeit zu leben bedeutet für sie, immer wieder „zum Hier und Jetzt zurückzukehren und wesentliche Entscheidungen bewusster zu reflektieren“. Dadurch sind wir in der Lage, nach innen zu blicken und unser Verhalten, auch unsere Sprache, bewusst zu ändern, anstatt unbewussten Automatismen die Führung unserer Kommunikation zu überlassen.

Sich auf Lösungen konzentrieren

„Wir sind quasi ständig im inneren Dialog mit uns selbst. (Dies) entscheidet darüber, wie wir uns wahrnehmen und wie wir mit unserer Umwelt interagieren“, erklärt Wilms. Sie empfiehlt daher, „den inneren Dialog und die Kommunikation mit anderen bewusst-positiv und gewinnbringend durch sprachliche Achtsamkeit zu gestalten“. Sind wir uns bewusst, was und wie wir etwas sagen, können wir dadurch viel mehr erreichen, als wenn wir den Worten erlauben im Affekt aus uns herauszusprudeln. Bei der achtsamen Sprache besteht die Möglichkeit, meinen Gesprächspartner mit ins Boot zu holen, anstatt ihn vom selben zu schupsen, um Recht zu behalten. Achtsame Sprache konzentriert sich auf Lösungen, statt auf Probleme und wirkt dadurch gewinnbringend für alle Beteiligten. „Wer achtsame Sprache bewusst einsetzen kann, ist klar im Vorteil“, ist sich Psychotherapeutin Indrani Wilms sicher. Weshalb die achtsame Kommunikation „in den Skills-Koffer von allen Menschen (gehört), die einen bewussten Lebensstil kultivieren möchten“. In ihrem Buch „Gewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache“ erklärt Wilms, was es dabei zu beachten gilt:

  1. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
    Ich gehöre zu jener Generation, die mit dem elterlichen Satz aufgewachsen ist: „Du wurdest was gefragt – antworte bitte“ (die weniger freundliche Formulierung war: „Antworte gefälligst!“). Vermutlich rührt daher die Auffassung, auf jede Frage auch antworten zu müssen. Dabei gehört zur sprachlichen Müllvermeidung, „auch die Fähigkeit einzuschätzen, welche Fragen überhaupt beantwortet werden sollten,“ so Wilms.
    Neulich fragte mich die neue Nachbarin nach unserem Umzug, wie viel wir denn für das Haus bezahlt hätten. Während ich ins Stottern kam, half mir mein Mann mit der Redewendung: „Über Geld redet man nicht – Geld hat man“ und zwinkerte Frau Müller dabei freundlich zu. Dies war eine, wie ich finde, recht charmante Art, auf die Frage zu antworten. Wir dürfen Fragen aber auch unbeantwortet lassen. Als Alternativen bietet die Achtsamkeitsexpertin Wilms an, eine Gegenfrage zu stellen wie: „Wozu möchtest du das wissen?“ oder einen Satz, der fast immer funktioniert: „Du darfst mich gern alles fragen, aber ich muss nicht auf alles antworten.“ Das ist nicht leicht, lässt sich zum Glück aber üben. Versuch‘s mal: „Verabrede dich beispielsweise ganz absichtlich mit einer Person, von der du weißt, dass sie dich ausfragen wird“ schreibt Wilms. Versuche dann, gerne mit vorher überlegten Sätzen oder Verhaltensweisen, die Fragen zurückzuweisen.
  2. Der Ton macht die Musik
    In der Kommunikation sollten wir stets darauf achten, wie wir sprechen. „Je konfrontativer der Inhalt einer Botschaft ist, desto freundlicher sollte der Ton sein“, empfiehlt die Psychologin. Um beispielsweise deinem Vermieter zu sagen, er solle endlich mal die Heizung reparieren lassen, kannst du – bildlich gesprochen – entweder ein Schlagzeug oder eine Harfe benutzen. Versuch‘s mal: „Schreibe auf (was du sagen möchtest).
    Dann spreche die Botschaft mit verschiedenen Tonmelodien in dein Telefon oder ein anderes Aufnahmegerät“, rät Wilms. Dann hörst du dir die Aufnahme nach ein paar Stunden an, um selbst wahrzunehmen, welche Wirkung welcher Ton auf dich hat.
  3. Kommuniziere offen
    Wer achtsam kommuniziert, achtet zudem auf seine Körperhaltung, „um ein WIR-Gefühl herzustellen“. Wilms hat beobachtet, dass in Meetings oft „die Mehrheit der Teilnehmer eine sogenannte geschlossene Körperhaltung zeigt (wie) eine gebeugte Haltung mit verschränkten Armen oder auch ein gesenkter, in Papieren oder im Handy verlorener Blick.“ Mit einer offenen und aufrechten Körper­haltung vermittelst du deinem Gegenüber „Zuversicht, in eine positive Kommunikation mit dir eintreten zu können“, rät die Achtsamkeitsexpertin. Zudem rät sie dazu, Augenkontakt mit deinem Gesprächspartner aufzunehmen. Versuch‘s mal: Wenn dir dein Augenkontakt schwerfällt, hat Indrani Wilm einen Tipp: „Fokussiere zunächst den Punkt in der Mitte leicht oberhalb der Augenbrauen, wo Inderinnen klassischerweise ihren Punkt tragen. Für das Gegenüber wirkt es genauso wie direkter Augenkontakt.“
  4. Vermeide Aussagen mit „man“
    Der positive Nebeneffekt einer offenen Haltung ist, dass sie auch deine Gefühle in eine positive Richtung lenkt. Bin ich selbst offen und positiv ausgerichtet, fällt es mir auch leichter, mich im Gespräch zu meinen eigenen Aussagen zu bekennen, anstatt das allgemeine „man“ zu gebrauchen. Mit Letzterem verstecken wir uns gerne hinter einer Aussage. Beim achtsamen Sprechen wenden wir uns aber nicht nur physisch dem Anderen zu, sondern öffnen uns auch auf der Gefühlsebene. Ein für mich typisch unachtsamer Satz zu meinem Redakteur ist beispielsweise: „Ich dachte, man könnte das so und so schreiben. Was halten Sie davon?“
    Versuch‘s mal: Beobachte, wie oft du oder andere das Wörtchen man benutzen und frage dich dann: „Wer ist eigentlich man?“
  5. Sag’s mit einem Bild
    Wenn ich in Zukunft achtsamer sprechen möchte, könnte ich stattdessen formulieren: „Ich möchte den Artikel gerne in Ich-Form verfassen. Was halten Sie von meinem Vorschlag?“ Natürlich könnte mein Vorschlag auch abgelehnt werden. Doch die Achtsamkeitsexpertin weiß: „Fühlt unser Gegenüber sich abgeholt und verstanden ist eine positive Reaktion wahrscheinlich. (…) Hierzu kannst du lernen, bildhafte Sprache zu nutzen, die mit dem Lebenshintergrund des Anderen korrespondiert.“ Meinen Mann erreiche ich beispielsweise gut über Fußball-Metaphern. Problematisch wird es nur, wenn er anfängt mir Abseits erklären zu wollen anstatt darauf einzugehen, was ich ihm eigentlich sagen wollte. „Was hier als geeignetes Bild in Frage kommt, lässt sich durch achtsames Zuhören sehr gut erkennen.
    Carola Reichenbach

Zum Weiterlesen: Indrani Alina Wilms, Gewinnende Gesprächs­führung durch achtsame Sprache, Junfermann Verlag, 20 Euro

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 4/2024

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