Essen gegen Depressionen

Lange Zeit glaubte man, dass Depressionen im Kopf entstehen. Doch dafür gibt es bislang keine Belege. Die amerikanische Psychiaterin Kelly Brogan vermutet, dass belastete und industriell verarbeitete Nahrungsmittel die wahre Ursache für eine Depression sind.

Gehören Sie auch zu den Menschen, die manchmal morgens schon antriebs- und hoffnungslos sind, sich durch den Tag schleppen und sehnlichst auf den Abend warten? Leiden Sie hin und wieder an diffusen Ängsten und das Karussell negativer Gedanken will einfach nicht stillstehen? Es mag Sie beruhigen, aber mit diesen Problemen sind Sie nicht allein. Ob Burnout, Depression oder Angstattacken – seelische Leiden haben in unserer Gesellschaft zugenommen. Jeder vierte Deutsche nimmt mittlerweile Psychopharmaka. Weil die meisten Ärzte davon überzeugt sind, dass eine Depression und andere seelische Erkrankungen durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn ausgelöst werden.

Kelly Brogans Ernährungsprogramm gegen Depressionen

Die amerikanische Psychiaterin und Neurowissenschaftlerin Kelly Brogan bezweifelt das und weiß auch, dass in keiner einzigen Studie ein solcher Zusammenhang bislang nachgewiesen wurde. Stattdessen ist sie davon überzeugt, dass eine Depression keine Erkrankung, sondern ein Anzeichen dafür ist, dass an irgendeiner Stelle im Körper eine Unausgewogenheit besteht. Und die werde vor allem durch einen ungesunden und unnatürlichen Lebensstil verursacht. Kelly Brogan rät deshalb ihren Patientinnen davon ab, beim kleinsten Anzeichen einer Depression zu Psychopharmaka zu greifen. „Antidepressiva können die Selbstheilungskräfte des Körpers unwiderruflich schädigen und gehören zu den Wirkstoffen, von denen man am schwersten loskommt.“ Die meisten seien noch schlimmer als Alkohol oder Opiate, so Brogan. In Kelly Brogans Praxis kommen viele Frauen, die schon so ziemlich alles ausprobiert haben. Um die Faktoren zu erforschen, die möglicherweise zu einer seelischen Erkrankung geführt haben, stellt die Psychiaterin ihren Patientinnen detaillierte Fragen zu deren Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Ihrer Auffassung nach ist Depression oft das Ergebnis einer chronischen Entzündung, ausgelöst durch toxische Substanzen, Zuckerkonsum und glutenhaltige und raffinierte Lebensmittel. Gerade für Frauen, die zu Angstzuständen und Depressionen neigen, sind Nahrungsmittel, die auf Zucker und Mehl basieren, besonders problematisch, weil sie sich auf der Hormon-, Entzündungs- und Darmebene negativ auswirken. Als Informationsträger bestimmen all unsere Nahrungsmittel zudem auch die Biochemie unseres Gehirns. Deshalb sei eine Ernährungsumstellung das beste Mittel im Kampf gegen eine Depression, um mit ihr den Organismus und all seine Zellen sowie die Darm-Gehirn-Signale positiv zu beeinflussen, so Kelly Brogan. Die Neurowissenschaftlerin hat aus diesem Grund ein Ernährungsprogramm entwickelt, dessen Prinzipien sich an den Entdeckungen des amerikanischen Zahnarztes Dr. A. Price orientieren. Dieser hat sich intensiv mit den Ernährungsweisen urwüchsiger Volksgruppen wie den Eskimos beschäftigt, die in nicht-industrialisierten Regionen leben. Das Interessante: Bei all diesen Populationen sind Depressionen unbekannt. Price fasste die Merkmale zusammen, die den Erhalt der Gesundheit unterstützen und fand dabei heraus, dass keine dieser traditionell lebenden Volksgruppen sich vegetarisch oder fettarm ernähren, sondern alle nur lokale, natürliche und vollwertige Nahrungsmittel zu sich nehmen. Für Kelly Brogans Ernährungsprogramm gegen Depressionen sind deshalb auch alle Nahrungsmittel tabu, die industriell verarbeitet werden. Im einzelnen hat sie zehn Ernährungsempfehlungen zusammengestellt, die gegen Depressionen helfen sollen:

1. Meiden Sie raffiniertes Mehl

Die meisten Menschen essen zu viel mehlhaltige Produkte. Man weiß heute, dass deren übermäßiger Verzehr Ursache für eine psychiatrische Erkrankung sein kann. Abgesehen davon bewirken Nahrungsmittel wie Brot oder Müsli starke Blutzuckerschwankungen. Sie lassen den Blutzuckerspiegel nach oben schnellen. Die Bauchspeicheldrüse muss einen Ausgleich schaffen, indem sie Insulin in einer Menge freisetzt, die den Blutzuckerspiegel wieder senkt. Die Folge ist wiederum Unterzuckerung, die sich mit einem Gefühl des allgemeinen Unwohlseins und der Nervosität bemerkbar macht. Auch kann es zu Überspanntheit, Übelkeit, Reizbarkeit, Denk- und Konzentrationsstörungen sowie Erschöpfung kommen. Kelly Brogan empfiehlt deshalb, alle raffinierten Kohlenhydrate und Mehlsorten rigoros vom Speiseplan  zu streichen. Dazu gehören Chips, Salzstangen, Cracker, Gebäck, Brot, Pizzateig, Kuchen, Fettgebackenes, Energieriegel und Frittiertes. All diese Nahrungsmittel werden oft zudem aus Getreidesorten hergestellt, die mit Pestiziden behandelt werden und Allergien auslösen können.

2. Meiden Sie Gluten

Auch Gluten gilt als allergener Stoff. Das Klebereiweiß ist in vielen Nahrungsmitteln wie Bulgur, Couscous, Dinkel, Gerste, Hartweizengries, Kartoffelstärke, Roggen, Weizen und Weizenkeimen enthalten. „Entsorgen Sie noch heute Ihre Müslipackungen“, rät Kelly Brogan, denn häufig enthält Müsli nicht nur jede Menge Gluten, sondern auch noch viel Zucker. Übrigens: Werden Gluten und industriell verarbeitete Milchprodukte zusammen verdaut, entstehen Peptide, organische Verbindungen, die nach dem Passieren der Darmbarriere das Gehirn und Immunsystem zur Einleitung von Entzündungs- und sogar zu bewusstseinsverändernden Prozessen anregen können.
Nicht weniger schädlich sind glutenfreie, industriell verarbeitete abgepackte Produkte. Denn bei ihnen wird Gluten einfach durch andere problematische Bestandteile wie Zucker, gentechnisch veränderte Maisstärke oder Soja ersetzt. Zwar enthalten letztere kein Gluten, allerdings sind diese Pflanzen in Verruf geraten, da sie sehr häufig genmanipuliert werden. Verwenden Sie stattdessen unverarbeitete Nahrungsmittel, die kein Gluten enthalten. Dazu zählen Amaranth, Buchweizen, Hirse, Kartoffeln (einschließlich Süßkartoffeln), Quinoa und Reis, um nur einige Sorten zu nennen.

3. Meiden Sie Zucker

Zucker sei ein metabolischer Albtraum, den unser Organismus nicht verkraftet, sagt Kelly Brogan. Ob aus Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Mais hergestellt – Zucker schadet unserem Organismus. Erstaunlicherweise wirkt sich dabei Fruktose noch schädlicher als reine Glukose aus, die aus Traubenzucker hergestellt wird, denn sie wandert direkt zur Verarbeitung in die Leber, wo sie zum Großteil in Fett und nur zum geringen Teil in Glukose umgewandelt wird. Eine fruktosereiche Ernährung kann nicht nur zu Fettleibigkeit, sondern auch zu Stoffwechselstörungen führen, da sie die Produktion der Hormone beeinträchtigt. Diese sind für die Regulierung unseres Stoffwechsels von zentraler Bedeutung. Zudem ist bei Fruktose die Wahrscheinlichkeit sieben Mal höher, dass sich als Reaktion eine klebrige, karamellähnliche Substanz bildet, die oxidativen Stress und Entzündungen verursachen kann. Abgesehen davon, dass Fruktose bei Menschen mit Stimmungsschwankungen und Angstzuständen einen Achterbahneffekt haben, können alle Zuckerformen Veränderungen in Zellmembranen, Arterien, Immunsystem, Hormonhaushalt und Darm hervorrufen. Obwohl Früchte viele wichtige Nährstoffe enthalten, ist deren Verzehr in Brogans Ernährungsprogramm wegen ihres hohen Fruktosegehalts nur in Maßen erlaubt. Brogan rät deshalb: „Wenn Sie unbedingt einen Hauch Süße brauchen, verwenden Sie lieber Kokosnusszucker, Honig oder Ahornsirup“.
 
4. Essen Sie vollwertige einfache Nahrungsmittel

Achten Sie beim Einkauf stets auf naturbelassene Nahrungsmittel. Im Gegensatz zu dem, was trendige Low-Carb-Kochbücher empfehlen sind Kohlenhydrate in Brogans Ernährungsprogramm keineswegs tabu. Brogan empfiehlt, Wurzelgemüse wie Yamswurzeln oder Kürbisgerichte auszuprobieren. Mit ihnen könne man seinen natürlichen Zuckerbedarf gut decken. Gemüse dünstet man am besten kurz oder gart es im Dampf und gibt etwas Olivenöl, Kokosöl oder Ghee (geklärte Butter von Kühen aus Weidehaltung) dazu. Auch Süßkartoffeln sind eine ideale Beilage. Deren präbiotische Inhaltsstoffe regen das Wachstum guter Darmbakterien an und fördern somit die Verdauung.
Achten Sie besonders darauf, dass das Gemüse und Obst, das Sie kaufen, nicht mit Glyphosat behandelt wurde. Es gehört zu den bekanntesten und umstrittensten Unkrautvernichtungsmitteln, die weltweit in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden. Deren schädlichen Auswirkungen auf Natur und Mensch werden verharmlost oder gar geleugnet. 2015 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Experten aus elf Ländern eingeladen, um über die krebsauslösende Wirkung von organischen Verbindungen, die Phosphor oder Glyphosat enthalten, zu debattieren. Ihre Untersuchungen ergaben, dass Glyphosat sehr wohl schädlich und vermutlich krebsauslösend ist. In jedem Fall kann Glyphosat nützliche Darmbakterien vernichten, die Vitamin-D-Funktion beeinträchtigen und wichtige Mineralstoffe verringern. „Bis Unkrautkiller wie Glyphosat offiziell verboten werden, sollten wir uns auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränken, die aus biologischem Anbau stammen“, rät Kelly Brogan.

5. Keine Angst vor Fleisch aus Weide- oder Freilandhaltung

Die Neurowissenschaftlerin ist keine Verfechterin einer vegetarischen Ernährung. Allerdings rät sie davon ab, Fleisch, aus konventioneller Tierhaltung, zu essen. Ob Lamm, Schwein oder Rind – das Fleisch sollte ausschließlich aus Weide- und Freilandhaltung stammen, bei der nur natürliche Nahrung gefüttert und die Tiere artgerecht gehalten werden. Wer sich an diese Empfehlung hält, könne getrost drei bis fünf Mal die Woche rotes Fleisch essen.
Daneben empfiehlt Kelly Brogan Fisch wie Wildlachs und Bio-Geflügel zweimal wöchentlich zu essen. Probieren Sie auch Hühner und Rindfleischbrühen aus, die aus Knochen und Haut hergestellt sind, denn sie sind reich an Glycin, einer gesundheitsförderlichen Aminosäure, die bei Schlaf- und Gelenkproblemen hilft und bei Angstzuständen beruhigend wirkt (siehe unsere Rezepte „Magische Heilsuppen“ ab S. 74).

6. Greifen Sie zu Eiern

Eier sind in Kelly Brogans Ernährungsprogramm erlaubt. Zu Unrecht wurden sie lange Zeit verteufelt, da man glaubte, sie würden den Cholesterinspiegel in die Höhe treiben und so die Erkrankung von Arteriosklerose und Herzinfarkt beschleunigen. Inzwischen sind sie längst rehabilitiert. „Das Ei, speziell das Eigelb ist ernährungstechnisch eine Goldmine“, so Brogan. Denn es enthält alle acht essentiellen Aminosäuren, die wir im Leben brauchen und darüber hinaus Vitamine, Mineralstoffe und Antioxidantien. 2013 wiesen Forscher der University Conneticut darauf hin, dass Menschen, die jeden Tag Eier aßen, besser auf Insulin reagierten und sogar weniger anfällig für Erkrankungen der Herzkranzgefäße waren.

7. Essen Sie natürliche Fette

Viele Lebensmittelhersteller trichtern uns ein, dass eine fett- und cholesterinarme Ernährungsweise gesund sei. Immer wieder behaupten sie, dass speziell tierisches Fett wegen seines hohen Cholesteringehalts unsere Arterien schädigen würde. Das gilt aber nicht für naturbelassene Fette pflanzlichen und tierischen Ursprungs, sagt Kelly Brogan.
Der menschliche Organismus braucht Fett und zwar neben ungesättigten pflanzlichen Ölen auch gesättigte tierische Fettsäuren. Vor allem Ghee (geklärte Butter) ist ein kostbares Nahrungsmittel, sofern es von Tieren aus Weidehaltung stammt. Zum Braten ist es sehr gut geeignet. Doch Vorsicht: Pflanzliche Öle sind nur wertvoll für den Körper, wenn sie unverfälscht sind, da sie sonst eher die Zellvorgänge im Körper stören. Omega-6-Säuren sind von zentraler Bedeutung für unser Gehirn. Allerdings konsumieren wir inzwischen meist zu viel davon.

8. Meiden Sie Milchprodukte

Handelsübliche Milchprodukte sind meist industriell verarbeitet. Beim Pasteurisieren werden aber wichtige Bakterien wie Folat, Vitamin A und B6 zerstört und Omega-3-Fettsäuren geschädigt. Außerdem oxidiert dabei auch das in der Milch enthaltene Cholesterin. Zudem enthält pasteurisierte Milch schädliche Proteine wie Beta-Kasein Alpha 1, das in Verdacht steht, Depressionen und andere neurologische Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie zu verschlimmern. Am besten lässt man deshalb eine Zeit lang alle Milchprodukte weg. Kelly Brogan empfiehlt, nach einem Monat des Verzichts wieder gelegentlich ein Rohmilchprodukt auf den Speiseplan zu setzen und ganz bewusst darauf zu achten, wie man es verträgt.

9. Essen Sie Nüsse und Samen

Alle Samenarten und unbehandelten Nüsse sind gut für die Gesundheit. Eine Ausnahme bildet die Erdnuss, die in Wahrheit zu der Gattung der Hülsenfrüchte gehört und die Entstehung von Schimmelgiften fördern kann.
Kelly Brogan rät deshalb auch dazu, Hülsenfrüchte – also Bohnen, Erbsen und Linsen – im ersten Monat der Ernährungsumstellung ganz zu meiden, da sie Lektine enthalten, die wiederum das Immunsystem stören können. Wenn man später wieder Hülsenfrüchte essen möchte, weicht man sie am besten über Nacht in gefiltertem Wasser ein und spült sie vor dem Kochen gründlich ab.

10. Schmecken und genießen Sie jeden Bissen ganz bewusst

Wenn Sie während des Essens abgelenkt sind, weil Sie ständig auf das Smartphone, den PC oder den Fernseher schauen, beeinträchtigt das Ihre Verdauung. Wenn Sie eine Mahlzeit zu sich nehmen, dann tun Sie das ganz bewusst. Essen ist schließlich keine Verpflichtung, sondern dient der Entspannung. Nutzen Sie die Gelegenheit, dabei einen Gang runterzuschalten. Nehmen Sie am Tisch Platz und seien Sie dankbar für die Gaben der Natur.                                                               
Inge Behrens

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 6/2016

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1 Gedanke zu „Essen gegen Depressionen“

  1. Sehr aufschlussreich, den Text habe ich aufmerksam gelesen. Bin am Durchforsten des internet-Waldes, da ichmittlerweile 13 Wochen krankgeschrieben bin, aufgrund von
    Depressionen & Co.
    Bin am Aufbröseln, wo ich fehlende Bausteine für meinen Zu/Umstand finden kann,
    außerhalb von Psychopharmaka.
    Interessant ist auch, was ich über Histamine gelesen habe.
    Hätte Lust für euch zu schreiben, kenne mich leider mit instagram und so gar nicht aus.
    Maritime Grüße aus Lübeck
    Birgit Apitzsch
    0175 2472079

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