Schichtarbeit ist hart und herausfordernd. Wie die HeldInnen der Nacht mit etwas Selbstfürsorge viel für ihre Gesundheit tun können, zeigt Simone Di Gallo
Ich erinnere mich gut an eine Nacht, die alles veränderte. Es war 22:00 Uhr, ich sollte in meiner Nachtschicht als Fachfrau Gesundheit beginnen, doch mein Körper war müde, ausgelaugt und seelisch nicht auf der Höhe. Mit Tränen in den Augen kämpfte ich mich zu meiner Schicht. Zu dieser Zeit war ich 24 Jahre jung und arbeitete in einem Altenheim. Die Schichtarbeit war hart und herausfordernd. Ich fühlte mich überfordert und ausgebrannt. Als ich mit 30 Jahren erneut Nachtschichten übernahm, war ich besser vorbereitet. Ich wusste nun, wie wichtig Selbstfürsorge ist. In diesem Artikel möchte ich dir meine gesammelten Erfahrungen, Erkenntnisse und Tipps weitergeben.
Was du tun kannst
Wie meine und vermutlich auch deine Erfahrung zeigt, ist Nachtarbeit eine Herausforderung für Körper und Seele. Nachtarbeit ist für niemanden wirklich gesund. Studien zeigen, dass Schlafmangel, gestörte Rhythmen und fehlendes Tageslicht langfristige Folgen haben. Vor allem dann, wenn die Anzahl Stunden Schlaf auf Dauer unter 8 Stunden ist. Regelmässige Nachtarbeit kann das Risiko für Durchschlafstörungen erhöhen. Zudem treten Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Schichtarbeitenden überdurchschnittlich häufig auf. Diese Schlafstörungen erhöhen auch das Risiko für Übergewicht. Nachtarbeit ist nicht gesund, aber oft notwendig. Sei es durch deine Lebensumstände oder deinen Beruf, oder beides. Sie bringt zwar gesundheitliche Risiken mit sich, bietet aber auch Vorteile. Für alle, die als Held:innen der Nacht arbeiten, gibt es eine gute Nachricht: Du kannst aktiv etwas für deine Gesundheit und dein Glück tun. Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten.
Der erste Schritt beginnt hier und jetzt
Fange damit an: Nachdenken über das eigene Leben. So kannst du deine alltäglichen Gewohnheiten erkennen, für dich bewerten und dann anpassen. Hier meine Fragen für dich:
Welche Rolle spielt die Nachtarbeit in meinem Leben? Habe ich die Nachtarbeit selbst gewählt oder hat sie sich in mein Leben «eingeschlichen»? Wie fühle ich mich in meiner aktuellen Situation? Vielleicht erlebst du die gleichen Herausforderungen, die ich damals durchlebte. Vielleicht ist deine Situation auch noch komplexer. Mit Kindern, mehreren Jobs und einer ohnehin schon stressigen Lebenslage. Egal, wie dein Leben gerade aussieht, du kannst es ändern. Jetzt.
Die folgende Frage ist wichtig: Werde ich weiterhin in der Nacht arbeiten oder möchte ich lieber eine Möglichkeit finden, dies nicht mehr zu tun? Wenn du eigentlich gar nicht mehr nachts arbeiten möchtest, dann wirst du einen Weg finden. Du kannst den Text natürlich zur Inspiration trotzdem noch weiterlesen. Wenn du weiterhin in der Nacht arbeitest, dann kannst du gewisse Dinge in deinem Leben verändern. Damit du trotz der Nachtschichten gesund und glücklich bist.
1. Ernährung: Gesunde Energie für die Nacht
Achte auf eine ausgewogene Ernährung, die dir Energie gibt, ohne dich schwer zu machen. Vermeide Zucker und zu fettige Mahlzeiten. Besonders der Nachtrhythmus kann Heisshungerattacken auslösen. Die Lust auf Fettiges, Süsses kann aber umgewandelt werden, indem du immer gesunde Snacks dabeihast.
„Wenn ich mich nicht zu Hause gut auf meine Verpflegung im Nachtdienst vorbereiten würde, würde ich auf Station das essen, was da ist, und das ist ungesund.» berichtet die erfahrene Pflegefachkraft und Influencerin Vanessa Schulte. „Deshalb nehme ich mir immer leichtes Fingerfood von zu Hause mit. Das sind zum Beispiel geschnittene Möhren und Gurken und auch Obststicks. Das hat wenig Kalorien und ist gesund. Süßigkeiten nehme ich gar nicht erst mit, damit ich nicht in Versuchung gerate. In den tiefen Nachtstunden trinke ich neben Wasser oft warmen Tee.“
Als ideale Mahlzeiten während der Nacht habe ich für ich entdeckt: Gemüsesuppen, die ich vorkochen und einfrieren kann. Vor der Nacht nehme ich einfach eine Portion aus dem Tiefkühler oder Kühlschrank und habe meinen gesunden Mitternacht Snack schon bereit. Im Geschäft wärme ich die Suppe, das ist zudem hilfreich, weil ich in der Nacht eher kalt habe. Zudem liebe ich es auch, einen heissen Kaffee mit Pflanzenmilch zu geniessen. Das zeigt meinem Körper an, dass es nun Arbeitszeit ist, nicht wie gewohnt Schlafenszeit. Aber nach Mitternacht nehme ich kein Koffein mehr zu mir. Damit ich am Morgen besser schlafen kann.
Wenn du öfters Lust auf Chips oder Ähnliches hast, (wie ich z.B. auch während der Nacht), magst du vielleicht diese durch Nüsse (die nicht im Fett gerötetes sind) ersetzten. Nüsse, Eier, Trockenfleisch sind idealer Snack in der Nacht. Und manchmal, so finde ich, gönne ich mir auch mal Ausnahmen wie z.B. eine Packung Popcorn während der Pause oder mal was Süsses zum Naschen. Solange der Körper alles bekommt, was er braucht, z.B. genügend Proteine für einen guten Schlaf, geniesse ich manchmal auch was mit Kohlenhydraten oder sogar Zucker. Aber eben nur manchmal.
2. Schlaf: Deine wichtigste Ressource
Optimiere deinen Schlaf, auch tagsüber. Dunkle, ruhige Räume sind der Schlüssel zu erholsamem Schlaf. Ich mache mir das Zimmer immer schon bereit, bevor ich zur Nachtschicht fahre. Das heisst, ich lege Duvet und Pyjama auf dem Bett so hin, wie ich es am Morgen dann brauche. Ich schliesse die Storen, stelle mir schon den Wecker für den nächsten Tag. Wenn ich dann um 7.00 früh nach Hause komme, muss ich fast nichts mehr machen, bis ich ins Bett kann. Meine Routine vor dem Schlafen ist dann nur noch: I. Schlafzimmer lüften II. ein Glas Wasser trinken und dann wieder gefüllt neben das Bett stellen. III. Gesicht, Hände und Füsse waschen sowie eincremen. IV. Pyjama anziehen und dann endlich V. ins Bett gehen und schlafen. Meiste schlafe ich dann auch sofort ein.
Finde deine eigene Routine vor der Schicht und danach. Diese kannst du dann immer mehr an deine Bedürfnisse anpassen. Es lohnt sich z.B. herauszufinden, ob du besser Schlafen kannst, wenn du vorher noch was machst, etwas «Frühstücks» oder lieber direkt ins Bett gehst. Schlafen muss zudem nicht am Stück sein. Wichtig ist darauf zu achten, dass es möglichst 8 Stunden sind. Aber auch nicht zu viel Druck aufbauen. Ich schlafe gerne von 7.00 bis am Nachmittag durch. Der Wecker würde jeweils um 16.00 klingeln, meist verwache ich aber schon zwischen 14-15.00 Uhr. Du kannst aber genauso in zwei Etappen schlafen, wenn dir das mehr liegt. Z.B. von 7- Mittag und dann am Nachmittag nochmals. Hilfreich ist es dabei, auf den 90 Minuten Schlafzyklus zu achten beim Weckerstellen. Oder einfach so lange schlafen, wie es eben geht und danach vor der Schicht nochmals zu schlafen.
3. Bewegung: Fit trotz Nachtarbeit
Neben dem Schlaf achte ich auch immer darauf, nicht zu viel auf den Beinen zu sein vor meiner Nachtschicht. Einkäufe erledige ich in den Tagen vorher und danach, was natürlich Planung erfordert. Termine mache ich an freien Tagen ab, nicht wenn ich im «Nachtmodus» bin. Aber mein Sportprogramm findet durchgehend statt. Auch vor und nach der Nachtschicht. Das geht. Was mich anfangs selbst überrascht hat.
Das bedeutet für dich: Bewegung ist wichtig. Wie auch sonst im Leben. Aber bei der Nachtarbeit ist es wichtig, diese an deinen Rhythmus anzupassen. Je nachdem, ob du bei deiner Arbeit viel körperliche Anstrengung hast oder kaum, ist eine andere Routine passend.
Wenn du bei deinem Beruf z.B. vorwiegend sitzt, kannst du auch in der Nacht kleine Übungen einbauen. Stehe z.B. jede Stunde auf, dehne dich oder mache leichte Bewegungsübungen. Drehe eine Runde um den Block oder im Gebäude. Wenn du schon bei der Arbeit körperlich ausgelastet bist, dann kannst du Dehnübungen in den Tagesablauf einbauen, z.B. direkt nach dem Aufstehen oder vor dem Schlafengehen. Wichtig erscheint mir, dass du deine Sportart/en findest, die dir gefallen und die du in deinen Alltag einbauen kannst. Dazu gibt es viele hilfreiche Sportbücher, Podcast und Ähnliches.
Und noch was: Sei liebevoll mit dir! Als ich mit 30 Jahren erneut mit der Nacharbeit begann, habe ich zuerst 3 Monate lang das Training während dem «Nachtmodus» ausgelassen und nur an den freien Tagen Fitness gemacht. Dann habe ich wieder damit begonnen und gemerkt, wie gut es mir gut. Aber es war auch wichtig, anfangs sehr achtsam zu sein und mich nicht mit dem Training zu stressen, sondern erstmal an den Nachtrhythmus zu gewöhnen.
4. Mentale Stärke: Deine innere Sonne finden
Besonders in der Nachtarbeit können wir Menschen leicht in Dunkelheit und Müdigkeit versinken. Doch du kannst lernen, in dieser Dunkelheit zu leuchten und deine innere Sonne zu finden. Der Wechsel zwischen Tag und Nacht ist seit jeher ein starkes Symbol für den Zyklus des Lebens. Ähnlich wie die Sonnenblume, die sich immer der Sonne zuwendet, kannst auch du lernen, deine Energie auf das Positive auszurichten.
Zum Nachdenken: Wie kannst du deine innere Sonne in den schwierigen Zeiten finden? Was sind die Dinge, die dir Energie geben und dich wieder ins Gleichgewicht bringen? Was macht dich so richtig glücklich und zufrieden? Suche mehr davon. Bring Freude in dein Leben.
Mir persönliche helfen Gespräche mit meinem Mann, ein inspirierendes Buch zu lesen oder mir bewusst zu machen, was gerade alles super läuft in meinem Leben. Ein Stossgebet ist auch immer wertvoll für mich als gläubige Person. Wenn ich eine Krise habe, erzähle ich Gott von meinen Sorgen. Vor meiner Schicht bete ich immer um eine ruhige Nacht, um gesegneten Schlaf für die Bewohner und dass alles gut geht.
5. Soziale Kontakte: Beziehungen bewusst pflegen
Ich weiss, gerade bei der Nachtarbeit kann es schwierig sein, sich mit anderen zu treffen. Weil sie einfach einen anderen Rhythmus haben. Aber es gibt immer Zeiten, zu denen es dir und deinen Liebsten passen wird. Zudem gibt es ja auch die freien Tage. Ich selbst mache z.B. nicht ab, wenn ich in meinem «Nachtmodus» bin. Erst wenn ich wieder in den Tag wechsle, treffe ich mich mit Freunden und Familie. Zischen den Nächten ist es mir zu stressig.
Eine gute Alternative finde ich auch das Telefonieren oder Austauschen auf den Apps. Wenn ich während meiner Nachtarbeit Zeit finde, kann ich meinen Freund:innen erzählen, wie es mir so geht und sie hören es sich dann an, wenn sie gerade Zeit dazu haben. Und ich freue mich immer, wenn wir uns dann treffen können, tagsüber.
Beziehungen sind das, was verbindet, durch schwierige Zeiten trägt und uns die Kraft gibt, weiterzumachen. Liebevolle Begegnungen zeigen, dass Leben wertvoll ist, trotz Herausforderungen, trotz Nachtarbeit und dass du nicht allein bist.
6. Notfallstrategien: Wenn nichts mehr geht
Es gibt Nächte, in denen einfach nichts mehr geht. Die Müdigkeit überrennt dich, der Stress ist zu viel, du fühlst dich z.B. traurig und leer. Ich kenne das. In solchen Momenten können die besten Tipps nichts bewirken. Aber etwas kann helfen: Einfach mal innezuhalten, tief durchzuatmen und sich zu erinnern, dass auch schwierige Phasen vorbeigehen. Hier meine kurze Übung in 4 Schritten:
- Atme tief ein und aus. Dreimal.
- Liste alles auf, was in deinem Leben gut läuft, auch die kleinsten Dinge.
- Fokussiere dich auf deine Arbeit. Der Morgen wird bestimmt kommen und dann ist auch diese Nacht vorbei, egal, wie sie verlief.
- Lache. Ziehe deinen Mundwinkel nach oben. Und schon geht’s besser.
Deine Reise zu mehr Wohlbefinden
Nun hast du einige Strategien und Tipps kennengelernt. Doch der wahre Erfolg kommt mit der Umsetzung. Beginne heute, sei es mit einem kleinen Ritual, einer Änderung in deinem Schlafverhalten oder einer neuen Ernährungsgewohnheit. Picke etwas heraus, dass du heute anpacken willst. Und dann noch ein Geheimtipp zum Schluss:Erstelle dir eine Liste mit konkreten Schritten, die du ab heute umsetzen möchtest. Schreibe sie auf Papier oder speichere sie auf deinem Handy. So behältst du deine Ziele im Blick und kannst deine Fortschritte nachverfolgen. Es braucht Zeit, Gewohnheiten zu ändern, aber du wirst sehen, wie viel Positives daraus entsteht. Stärke dich, finde deinen Rhythmus und zeige, dass auch Held:innen der Nacht gesund und glücklich sein können.
Über die Autorin
Simone Di Gallo, geboren 1994, ist Fachfrau Gesundheit und Theologin. Mit ihrer Erfahrung in der Pflege, einschliesslich Nachtdiensten, kennt sie die Herausforderungen der Nachtarbeit aus eigener Praxis. Ihre Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper hat sie in Zeiten der Krankheit gelernt und gibt diese wertvolle Haltung nun weiter. Heute arbeitet sie als Seelsorgerin in Basel und macht ab und zu einen Nachtdienst als Aushilfe im Heim. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie in Binningen, Baselland und ist glücklich.
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