Magic Midlife

Die Ärztin und Bestsellerautorin Franziska Rubin über neue Chancen, die sich in der Lebensmitte eröffnen und wie wir dafür die richtigen Weichen stellen.

Frau Rubin, Sie schreiben in ihrem Buch „Magic Midlife“, dass wir in der Zeit zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr am unzufriedensten sind. Woran liegt das?
Ist das nicht erstaunlich? Ich dachte immer, das sei die beste Zeit im Leben, in der man viel erreicht hat, voller Kraft und Tatendrang ist, seine Kinder liebt und sie aufwachsen sieht. Die Realität sieht aber oft anders aus: Unseren emotionalen Tiefpunkt haben wir laut Statistik mit 42,9 Jahren erreicht. Das liegt einfach an der hohen Belastung. Im Beruf performen, die Familie glücklich machen, die hohen Erwartungen an mich und mein Umfeld gestellt werden. Ich erinnere mich gut an diese Zeit, als mir vor Müdigkeit schon abends um acht der Kopf in die Suppe fiel.

Gibt es Unterschiede, was Frauen und Männer betrifft?

In dieser Lebensphase sitzen Männer genauso auf der Hormonachterbahn wie Frauen. Allerdings auf der deutlich lahmeren Variante ohne Doppellooping und durchgeschwitzte Nächte. Bei ihnen fallen die Hormone gleichmäßiger, während es bei uns über viele Jahre ein Auf und Ab gibt. Und das kann schon um die 40 herum beginnen. Und leider auch lange anhalten. Meist beruhigt sich die Situation mit 55 Jahren, manchmal kann es aber auch bis 75 dauern.

Welche Chancen liegen in der zweiten Lebenshälfte?

Wir gewinnen in dieser Zeit ein Stück Freiheit zurück, weil unsere Kinder unabhängiger werden oder das Elternhaus verlassen. Der Arbeitsmarkt gestaltet sich heute für Frauen in diesem Alter ganz anders. Meine 63-jährige Freundin hat gerade eine neue Festanstellung bei ihrem Traum-Arbeitgeber bekommen. Wir sind in der Lebensmitte routiniert und beherrschen das, was wir tun, denn wir haben ja viele Jahre geübt. Auch mit dem ein oder anderen Schluss zu machen, kann jetzt an der Reihe sein. Das tut manchmal weh, aber dadurch öffnen sich auch ganz neue Horizonte. Manche Partnerschaft hat nicht überlebt, und man entscheidet sich für getrennte Wege. Andere erleben jetzt ihren zweiten oder dritten Frühling mit oder ohne neue Liebe. Die größte Chance liegt vielleicht darin, dass jetzt die richtige Zeit dafür ist, endlich das zu tun, wofür unser Herz schlägt. Da die Lebenserwartung stetig steigt und die medizinische Versorgung immer besser wird, haben wir noch viele Jahre vor uns und es können durchaus noch große und sehr spannende Projekte kommen. Die Haltung zum Leben, die wir jetzt entwickeln, ist entscheidend dafür, wie wir die nächsten 30 bis 40 Jahre erleben.

Wie gelingt eine gute Neuausrichtung?

In der Lebensmitte sind wir mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Zum einen sind das unsere Hormone, die für neue Gefühle sorgen, und zum anderen das Älterwerden, das sich für uns spätestens jetzt zeigt. Als Ärztin weiß ich, dass den meisten Frauen die Naturheilkunde sehr gut hilft. Es gibt viele Anwendungen, die Beschwerden dauerhaft lindern. Wichtig: Nur wenige Frauen brauchen wirklich Hormone, um ihre Beschwerden in den Griff zu bekommen. Beim anderen Thema, dem Altern, ist es so, dass wir da glücklicherweise heutzutage etwas schummeln können. Es braucht aber vor allem Akzeptanz und eine neue Haltung dem Thema gegenüber. Wir sollten uns dann fragen: Wie wichtig ist es mir, dass Männer bei meinem Anblick gegen die nächste Laterne laufen? Was kann und darf ich für mich tun, damit es mir gut geht und ich nicht nur für andere performe oder strahle? Die Lebensmitte bietet eine große Chance, die zweite Halbzeit anders zu erleben. Mit Gelassenheit, aber auch Neugier, Bilanz zu ziehen und, was richtig Spaß macht: Neue Ziele anpeilen.

Zum Weiterlesen:
Franziska Rubin, Magic Midlife, Droemer Knaur Verlag

Das ganze Interview finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 6/2024

Diesen Artikel teilen

Weitere Beiträge

Colorful Happiness

Beim Malen können wir mehr über uns selbst und unser Inneres erfahren. Yvonne Lamberty zeigt, wie wir dabei die „drei Musketiere des Herzens“ in uns erwecken können.

Diesen Artikel teilen

Liebeserklärung an das Leben

„Dankbar sein können wir immer und überall, ob im Kleinen oder im Großen,“ so der Philosoph Jörg Bernardy. Für ihn ist Dankbarkeit „wie ein warmes Feuer, das sich ganz langsam in unserem Körper ausbreitet“.

Diesen Artikel teilen

Alles darf sein

Unsere größte Kritikerin sind wir meist selbst. Täglich machen wir uns das Leben schwer und reden uns ein, dass wir ungenügend sind. Damit muss endlich Schluss sein.

Diesen Artikel teilen

Schreiben Sie einen Kommentar