Slow living – Wohnen für die Seele

Das Zauberwort in punkto Wohnen heißt Entschleunigung. Slow Living ist ein Wohnstil, ­der sich darauf konzentriert, das Zuhause bewusst und mit Achtsamkeit einzurichten. Martina Velmeden hat einige Tipps dazu zusammengestellt

Schon als Kind habe ich Slow Living von meiner Großmutter gelernt. Sie konnte weder Englisch, noch kannte sie diesen Begriff. Sie wusste aber, wie wichtig es ist, eine Sache nach der anderen zu tun. Sie lebte im Moment und legte regelmäßig Pausen ein. Uns fällt das heutzutage schwer. Die Liste unserer To-Dos ist lang. Wir möchten alles schnell erledigen, damit unser Alltag reibungslos verläuft. Das Zauberwort hier heißt Entschleunigung. Wir denken dabei an langsamer, weniger, bewusster.

Langsamer, weniger, bewusster

Ein zentraler Aspekt von Slow Living ist unser Zuhause, denn wie wir wohnen, spielt eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden. Unsere Wohnräume sollten der ideale Ort für mehr innere Ruhe und Erholung sein, sobald wir die Tür hinter uns schließen.
Unser Zuhause war noch nie so wichtig wie jetzt. Denn sobald wir Lärm, Stress und Reizüberflutung draußen lassen, dürfen wir so sein wie wir sind: Barfuß, in bequemer Kleidung und ungeschminkt. Entspannt und total analog in einer Umgebung, die zu uns passt und uns mit allen Sinnen guttut. So wie der Duft des frischen Apfelkuchens, der schon im warmen Ofen steht.

Warum Slow Living zu Hause beginnt

Als Mitteleuropäer und vor allem als Stadtmensch verbringen wir 90 Prozent unseres Lebens in geschlossenen Räumen, 60 Prozent davon zu Hause. Nach der Kleidung, unserer „zweiten Haut“, wirken Räume ähnlich schützend. Darum bezeichnet man das Zuhause auch als „dritte Haut“. Räume erzeugen Gefühle und körperliche Reaktionen. Das lässt sich mit der Gestaltung beeinflussen. Deshalb ist es wichtig, wie unsere Räume aussehen und wie sie sich anfühlen.
Ein gut gestaltetes, reizreduziertes Zuhause baut Stress ab, hebt die Stimmung und hilft dir, dich besser zu fühlen. Ein entscheidender Aspekt dabei ist die Haptik – das Spüren, Anfassen und Berühren. In einer immer digitaler werdenden Welt sehnen wir uns nach Texturen, die wir gerne anfassen. Den ganzen Tag starren wir auf Bildschirme und wischen über die glatte Oberfläche unseres Smartphones. Doch spätestens Zuhause brauchen wir echte sinnliche Erfahrungen. Wärme und Texturen, die uns erden und dazu beitragen, dass unser Zuhause uns wirklich berührt und wir uns darin geborgen fühlen.

So zieht Entschleunigung auch bei dir ein

Raum zum Durchatmen: Weniger ist mehr
Beim Slow Living geht es um einen bewussten Konsum. Leitgedanke ist dabei der Minimalismus. Statt unser Zuhause mit Dingen vollzustellen, brauchen wir gemütliche Räume, in denen wir uns so richtig wohlfühlen und durchatmen können. Das reduziert Stress und macht den Kopf frei. Ordnung und leere Flächen sind dafür die beste Basis. Zu viel kleinteiliger Kram, defekte Gegenstände, Wäschehaufen, Altpapierstapel und Staubmäuse stressen und verhindern, dass wir zur Ruhe kommen. Deshalb lautet eines der Slow-Living-Prinzipien: Entrümpeln!

Im Moment sein statt überall und nirgendwo richtig
Uns allen geht es besser, wenn wir in einer liebevollen Umgebung leben. Eine Umgebung, die wir gerne sauber und ordentlich halten, wo wir Blumen auf einen schön gedeckten Tisch stellen, einen bequemen Lieblingsplatz haben, auf den wir uns schon tagsüber freuen und wo wir bewusst – und ohne Smartphone – ein leckeres Essen und verbindende Gespräche genießen können.

Persönlich statt perfekt
Doch aufgeräumt und sauber heißt weder klinisch rein noch perfekt. Perfektion übt Leistungsdruck aus und ist am Ende so schädlich wie eine lieblose Wohnung. Deine Einrichtung sollte deine Geschichte erzählen. Eine Wand, die mit Fotos und Erinnerungen gestaltet ist, macht dein Zuhause warm und einladend.

Qualität statt Quantität
Trenne dich bewusst von überflüssigen, nie genutzten Gegenständen. Behalte nur die Dinge, die dir Freude bereiten und einen praktischen Nutzen haben. Konzentriere dich deshalb auf weniger, aber hochwertigere Dinge und auf ein langlebiges und zeitloses Design.

Nachhaltig statt kurzlebig
Wer weniger und dafür achtsamer konsumiert, wählt bewusster aus, was über die Schwelle ins Haus gelangt. Ein Kleiderschrank, der einen Umzug nicht übersteht, ist meist nicht der Richtige. Immer mehr Menschen erkundigen sich nach der Ökobilanz eines Möbelstücks und fragen gezielt nach „grünen Möbeln“.

Nachhaltige Möbel – gutes Design und Wohlgefühl
Gutes Design geht weit über bloße Ästhetik hinaus. Möbel sollten praktisch und bequem sein und sich gut anfühlen. Erholsame Räume kommen gut ohne sperrige Schränke aus. Für ausreichend Stauraum sorgen unauffälligere Wandschränke. Dabei spielen leicht wirkende Einzelmöbel mit reduziertem Design die Hauptrolle: Ein bequemes Sofa, ein kuscheliger Lieblingssessel, elegante, scheinbar schwebende Sideboards mit Füßen und filigrane Seitentische. Kein Stück ist zu viel. Alles wird benutzt. Zeitlose Designklassiker eignen sich als ergänzende Fokuspunkte. Sie wirken vertraut und vereinfachen die Wahl. Vor allem für Menschen, die sich bei einem Überangebot verständlicherweise nur schwer entscheiden können. Multifunktionale Möbel, die auch schadlos jeden Umzug überstehen, eignen sich nicht nur für kleinere Wohnungen: zum Beispiel ein Sofa, das sich in ein Bett verwandeln lässt. Ein Regal, das gleichzeitig senen wie offenen Stauraum bietet und noch einen Laptop-Platz als Home-Office-Station dazu.

Was Möbel und Einrichtungs­gegenstände nachhaltig macht
Sie haben ein zeitloses Design, sind daher nicht trendorientiert und schnelllebig und werden weniger oft ausgetauscht.
Sie sind vintage und auf dem Flohmarkt gebraucht gekauft.
Sie sind aus nachwachsenden Rohstoffen und nicht aus Materialien, die so tun, als seien sie aus Holz. Doch auch recycelte PET-Flaschen und recyceltes Holz, Bambus, Rattan, Papier wirken sich nachhaltig auf die CO2-Bilanz eines Einrichtungsgegenstandes aus.
Sie enthalten keine Schadstoffe und dünsten keine gesundheitsschädlichen Stoffe aus.
Sie sind aus fairer Produktion und unter guten Arbeitsbedingungen entstanden und möglichst aus regionalen Materialien hergestellt.

Dein persönlicher Rückzugsort und Lieblingsplatz

Schaffe dir bewusst Bereiche für Entspannung und digitale Auszeiten. Gestalte dir einen Rückzugsort, auf den du dich an einem stressigen Tag besonders freust. Wenn du keinen eigenen Raum hast, dann kannst du auch einen bequemen Sessel, ein überpolstertes Fensterbrett oder eine Raumecke zu deinem Rückzugsort machen. Am besten eignen sich helle Plätze mit einem Blick ins Grüne, also in der Nähe eines Fensters.

Natürliche Materialien & Farben
Entspannende Wohnfarben orientieren sich an den Farben der Natur: Weiß-, Greige (Mischung zwischen Grau und Beige)-, Stein- und helle Holztöne wirken leicht und beruhigen. Sie sind untereinander gut zu kombinieren. Für Kontrast und Abwechslung sorgen dunklere Erdtöne sowie grüne oder blaue Akzente. Für natürliches Grün eignen sich auch Zimmerpflanzen, die zusätzlich die Luft befeuchten.
Bei den Materialien ist Holz das Hauptmaterial und einer der wichtigsten, nachwachsenden Rohstoffe. Es eignet sich für Wandverkleidungen, Dielenböden, Möbel, Leuchten und Bilderrahmen. Holz sieht wohnlich aus, duftet gut und wirkt bei Berührung nachweislich beruhigend. Ergänzt wird Holz am besten mit weiteren echten Materialien, beispielsweise für Alltagsgegenstände: Glasgefäße, Keramikgeschirr, geflochtene Rattankörbe, kuschelige Baumwollkissen, weiche Merinostrickdecken, fußwarme Woll­teppiche und Bettwäsche aus robustem Leinen.

Martina Velmeden – martina-velmeden.de

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 5/2024

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