Wir leben in einer Zeit des materiellen Wohlstandes und des Überflusses– aber auch in einer Zeit des Wandels. Denn es gibt immer mehr Menschen, die aus dem Gewohnten aussteigen, ein bewussteres Leben führen und eine neue Art des Umgangs mit Konsum wählen.
Viele Menschen sehnen sich nach mehr Einfachheit in ihrem Leben, wollen reduzieren und Raum schaffen, sich dem Wesentlichen zuzuwenden. So entwickelt sich allmählich eine neue Verbraucherkultur und eine neue Art von Konsum: Konsumgüter werden gemeinsam angeschafft und geteilt, Überflüssiges wird weitergegeben, aus alten Gebrauchsgegenständen wird Neues kreiert, es wird gemeinsam gekocht, gegärtnert und repariert. Ein Lebensstil, in der Zeit, Muße, Gemeinschaft und Kreativität mehr zählen als Besitz. Menschen, die sich dafür entschieden haben, berichten von einem zufriedeneren Leben, auch weil es authentischer und nachhaltiger ist. Und den Plastikstrudeln in den Ozeanen, den Unmengen vernichteter Lebensmittel und dem spürbaren Klimawandel etwas entgegensetzt.
Anregungen für einen bewussteren Umgang mit Konsum
Mit unserer jetzigen Lebensweise und unserem Konsum verbrauchen wir weit mehr Ressourcen als uns zustehen und stoßen die fünffache Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre aus, die die Erde pro Weltenbürger tolerieren kann. Wir wissen genau: Nur wenn wir unser Verhlaten rund um Konsum und Besitz grundsätzlich ändern, können wir unsere Lebensgrundlagen langfristig erhalten. Recycling und effiziente Energienutzung sind Möglichkeiten, die wir haben, nachhaltiger ist die Vermeidung von Rohstoff- und Energieverbrauch durch weniger Konsum, Suffizienz genannt. Der Begriff Suffizienz ist abgeleitet vom lateinischen sufficere, was in der deutschen Sprache mit „ausreichen, genügen“ übersetzt wird. „Brauche ich das wirklich?“ ist somit die Frage, die auch aus ökologischen Gründen zu Beginn jeder geplanten Anschaffung und vor jedem Konsum stehen sollte. Wer wissen möchte, wie der eigene Konsum unsere Lebensgrundlagen in Anspruch nimmt, kann im Internet (beispielsweise unter: www.mein-fussabdruck.at) seinen ganz persönlichen „ökologischen Fußabdruck“ ermitteln lassen.
Ausleihen oder Teilen
Was ist mein Bedürfnis? Möchte ich diesen Gegenstand wirklich besitzen oder möchte ich ihn nur nutzen? Die Bohrmaschine – nur wenige Stunden im Jahr, den Rasenmäher – höchstens einmal pro Woche? Eine Alternative zum Neuerwerb und ständigem Konsum, kann das Ausleihen oder das gemeinsame Anschaffen und Nutzen sein. Je teurer die Anschaffung und je größer der Material- und Energieaufwand zur Herstellung eines Gegenstandes, desto eher lohnt sich das Ausleihen. Baumärkte beispielsweise bieten hochwertige Handwerksgeräte zum Verleih an. Ausleihen und Teilen kann aber auch im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft praktiziert werden. Eine beliebte Art des Teilens ist Carsharing (siehe unten).
Kriterien beim Kauf: ökologisch, fair, regional
Bei der Neuanschaffung eines Gegenstandes sind ökologische Kriterien, wie Langlebigkeit, die zur Herstellung benötigte Energie und die Verwendung schadstoffarmer Materialien, Reparaturfreundlichkeit und Recyclingfähigkeit, aber auch fairer Handel, regionale Herstellung und ökologische Wirtschaftsweise wertvolle Maßstäbe. Eine Hilfe ist die Internet-seite www.ecotopten.de des Ökoinstituts Freiburg. Sie informiert über ökologische Kaufkriterien für unterschiedliche Produktbereiche. Einige Konsumgüter werden nach dem Konzept Cradle-to-Cradle (sinngemäß: von der Wiege zur Wiege) hergestellt. Es steht für eine ressourcenschonende und umweltfreundliche Produktion, bei der verwendete Materialien nach Gebrauch des Produktes wieder in den Produktionskreislauf zurück geführt werden, so wie es die Natur uns vormacht. So kann Konsum auch positiv sein. Leider wird heute bei einer Vielzahl von Produkten die Lebensdauer absichtlich verkürzt, sei es durch nicht austauschbare Akkus oder vorsätzlich eingebaute Schwachstellen, geplante Obsoleszenz genannt. Informationen und eine Liste mit solchen Konsumgütern gibt es auf der Internetseite www.murks-nein-danke.de.
Bewusster Konsum: Länger nutzen und reparieren statt wegwerfen
Grundsätzlich ist es vorteilhaft einen bereits produzierten Gegenstand so lange wie möglich zu nutzen. (Ausnahme sind ältere elektrische Haushaltsgeräte, die meist viel mehr Energie verbrauchen als moderne Geräte.) Doch: Einen Gebrauchsgegenstand zu pflegen, damit er möglichst lange hält, ist uns fremd geworden. Vieles was uns umgibt wird in Massen produziert, geht es kaputt, ist eine Reparatur – falls überhaupt möglich – im Verhältnis zur Neuanschaffung relativ teuer: sie „lohnt“ sich nicht. Das Reparieren ist aus der Mode gekommen, die Fähigkeiten, die es dazu braucht, sind dabei, verloren zu gehen. Fachbetriebe mit Reparaturservice sind selten geworden und nur wenn wir sie in Anspruch nehmen, können sie fortbestehen. In den Niederlanden ist die Idee des Repair Cafés entstanden, die in vielen europäischen Ländern und auch in den USA Nachahmer gefunden hat. Ein Repair Café ist ein ehrenamtliches Treffen, bei dem die Teilnehmer mit Anleitung und Hilfe eines Fachmannes oder einer Fachfrau lernen, mitgebrachte kaputte Gegenstände selbst zu reparieren: Das kann der nicht mehr funktionierende Reißverschluss, das abgebrochene Stuhlbein oder der defekte Toaster sein. An dem Ort, an dem das Repair Café stattfindet, gibt es verschiedenerlei Materialien und Werkzeuge, Anleitungen und Bücher zum Thema. Die Erfahrung zeigt, dass die selbstreparierten Gegenstände wieder wertgeschätzt werden.
Weitergeben, verkaufen, tauschen oder verschenken
In der kleinen Gemeinde Wallbach am Hochrhein gibt es ein Müllmuseum, in dem der Besitzer, ein ehemaliger Mitarbeiter einer Mülldeponie, Gegenstände zeigt, die er auf der Deponie gefunden hat und die zum Wegwerfen eigentlich noch viel zu schade sind. Auch mancher Sperrmüllfund wurde zum allseits bewunderten Gebrauchsgegenstand verwandelt. Ein Möbel, für das kein Platz mehr ist oder ein Kleidungsstück, das nicht mehr passt, kann für einen anderen Menschen eine wertvolle Besonderheit sein. Waren verkaufen, tauschen oder verschenken ist über vielerlei Wege möglich und ersetzen den gängigen Konsum. Die herkömmliche Art sind Second-Hand-Boutiquen, Flohmärkte und Warentauschtage. Neu ist die Idee von Kleidertauschbörsen, meist von Frauen für Frauen organisiert. Jede bringt ein paar aussortierte Kleidungsstücke mit und hat die Gelegenheit mit neuen (gebrauchten) wieder nach Hause zu gehen. In einigen Städten gibt es einen Umsonstladen oder es steht an zentraler Stelle eine „Givebox“. Dort kann nicht mehr Benötigtes weitergegeben oder eben mitgenommen werden. So macht bewusster Konsum Freude! Durch das Internet hat das Weitergeben von gebrauchten Gütern eine neue Dimension bekommen. Kaum jemand, der nicht schon bei Ebay etwas ersteigert oder angeboten hat. Die Zahl der Internettausch- und Verkaufskreise ist groß: auf der Metaplattform www.KoKonsum.org kann man mit Stichworten und Themen nach dem passenden Angebot für sich suchen. Suchen Sie auch selber immer nach Wegen, einen bewussten Konsum zu praktizieren.
Edith Jost
Tipps für einen bewussten Konsum
Autos teilen
Carsharing wird immer beliebter und setzt sich dem Konsum entgegen. Klassisches stationsgebundenes Carsharing gibt es in 380 deutschen Städten und Gemeinden (www.car-sharing.info) In Großstädten geht der Trend weg vom eigenen Auto hin zum geteilten: Mehrere Autokonzerne bieten das sogenannte Free-Floating-System an, bei dem ein Auto von einem Stellplatz innerhalb eines festgelegten Bezirkes gebucht und an einem anderen abgestellt werden kann. Carsharing ist ganz einfach: Das für den jeweiligen Zweck geeignete Fahrzeug auswählen, buchen, einsteigen und nach Gebrauch wieder abstellen. Um alles andere – Reifenwechsel, Kundendienst, Reparaturen – kümmert sich der Anbieter. Meist ist eine Quernutzung bei Anbietern in anderen Städten, auch im Ausland, möglich. Carsharing lohnt sich, wenn die jährliche Fahrleistung unter 10.000 Kilometern liegt und das Auto nicht zum Pendeln genutzt wird. Nicht selten ersetzt es ein eigenes Auto oder im ländlichen Bereich den Zweitwagen. Das spart im Vergleich zur üblichen Autonutzung Ressourcen und Stellfläche. Hinzu kommt, dass Carsharing-Anbieter besonders abgasarme Fahrzeuge bevorzugen. Privates Carsharing ist über die Initiative „Autonetzer“ abwickelbar (www.autonetzer.de), das Auto ist dabei vollkaskoversichert.
Klimafreundlich kochen
Ein guter Einstieg in einen bewussten Konsum ist eine nachhaltige Ernährungsweise. Das heißt Lebensmittel aus der Region zu kaufen, auf Wochenmärkten, in Bauern- und Hofläden. Auch manche Supermärkte bieten regionale Produkte an. Unsere heimische Natur bietet zu jeder Jahreszeit das, was der Körper braucht: Das sind im Sommer kühlende Gurken und Tomaten, im Winter wärmendes Wurzelgemüse. Wer regional einkauft, stärkt zudem die Landwirtschaft in seiner Region. Eine schwerpunktmäßig pflanzliche Ernährung trägt bedeutend zu einem klima- und ressourcenschonenden Lebensstil bei. Denn um eine Kalorie eines tierischen Nahrungsmittels zu produzieren wird deutlich mehr Anbaufläche benötigt und ist ein höherer Einsatz von Maschinen, Düngemitteln und Pestiziden notwendig als für eine Kalorie eines pflanzlichen Nahrungsmittels. Insbesondere die Massentierhaltung verursacht im Vergleich zum Ackerbau wesentlich mehr Klimagase, dabei ist das beim Verdauungsvorgang der Rinder entstehende Methan besonders klimabelastend. Auch biologisch angebaute Nahrungsmittel schonen das Klima. Energieaufwändig hergestellte chemische Düngemittel und Pestizide sind im Bio-Anbau nicht erlaubt, so wird auch das Grundwasser weniger belastet. Zugekauftes Futter ist gentechnikfrei (Umwelt)bewusstsein bei der Ernährung bedeutet auch: Mit dem Fahrrad auf den Markt oder zum Biobauern fahren, auf Flugware verzichten, fair gehandelte Produkte kaufen, frische, unverarbeitete und unverpackte Produkte bevorzugen und bei Getränken wieder zu Mehrweg-Glasflaschen greifen. Mehr Infos und Rezepte gibts im „Klimakochbuch“ (Kosmos Verlag)
Es geht auch ganz ohne Konsum
Raphael Fellmer lebt seit fünf Jahren ohne Geld und ohne Konsum. Seine Bedürfnisse deckt er durch das, was in unserer Gesellschaft übrig ist: weggeworfene Lebensmittel, ausrangierte Kleidungsstücke, nicht genutzten Wohnraum, überflüssig gewordene Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände. Wenn er nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, nutzt er einen der freien Plätze in einem Auto – er fährt per Anhalter. Fellmer bezeichnet sich als „Essensretter“. Zunächst war er nachts unterwegs, um Lebensmittel aus der Tonne zu retten. Heute kooperiert er mit (Bio-)Supermärkten und Bäckereien, holt Lebensmittel ab, die sonst weggeworfen werden, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Verpackung defekt ist, Obst und Gemüse Druckstellen hat oder runzlig geworden ist – das, was nicht an Tafelläden weitergegeben werden kann. Er hat die Internetseite www.foodsharing.de nitiiert, über die er gemeinsam mit mehr als zehntausend Menschen und mehr als eintausend Betrieben den Tausch von Lebensmitteln, die bisher weggeworfen wurden, in großem Stil ermöglicht. Für Raphael Fellmer heißt bewusster Konsum, konsequent das zu nutzen, was bereits vorhanden ist. Er wird zu Talkrunden und zu Vorträgen eingeladen, auch an Schulen und Universitäten. Dort spricht er über seine Art zu leben und über den verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. Besonders wichtig ist ihm, den versteckten Verbrauch an Ressourcen in Konsumgütern aufzuzeigen. Denn wer weiß schon, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch im Mittel 15.000 Liter Wasser nötig sind? Raphael Fellmer bekommt Rückmeldungen von Menschen, denen er den Anstoß gegeben hat, ihren Lebensstil zu verändern. Über seinen Weg hat er das Buch „Glücklich ohne Geld“ geschrieben.
2 Gedanken zu „Bewusster Konsum: <br/>Wie es funktionieren kann!“