Lisa Federle: Eine, die Mut macht: Deutschlands bekannteste Notärztin über die Bedeutung des Zuhörens und den Weg hin zu einer vertrauensvollen Beziehung.
Lisa Federle kennt die Probleme der Menschen aus ihrer täglichen Berufserfahrung als Notärztin all zu gut. Dazu gehören Einsamkeit, Demenz, Angst, Depression, von den psychosomatischen Folgen persönlicher Krisen ganz zu schweigen. Nicht selten aber sind auch Liebesbeziehungen Ursache für gesundheitliche Krisen. Die Scham, darüber zu sprechen, ist bei den Betroffenen groß. Denn allzu oft geht es um Dinge, die über das persönliche Schicksal hinaus auch gesellschaftliche Fragen betreffen. Auch Lisa Federles Lebensweg war schwierig. Ohne Schulabschluss verließ sie das Elternhaus. Alleinerziehend mit zwei Kindern führten Tatkraft und Willensstärke Lisa Federle durch diese Jahre. Mit 30 Jahren konnte sie sich endlich ihren Kindheitstraum erfüllen und ein Medizinstudium beginnen. Für ihr soziales Engagement wurde sie 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wir sprechen mit Lisa Federle über ihr neues Buch „Vom Glück des Zuhörens“:
In Ihrem Buch geht es um eine Fähigkeit, die immer mehr verloren zu gehen scheint. Warum ist das so, dass wir uns mit dem Zuhören so schwertun?
Lisa Federle: Ich denke, dass das unterschiedliche Gründe hat. Die Menschen haben zunehmend mehr Druck. Das gilt auf der einen Seite für den Job, hier müssen wir sehr hohen Leistungsanforderungen standhalten. Viele Menschen arbeiten deshalb weit über den Feierabend hinaus. Und privat muss auch immer mehr bewältigt werden. Besonders Frauen müssen oft Berufsleben, Haushalt und Kinder unter einen Hut bringen. Da bleibt nicht viel Zeit für Selfcare oder dafür, dem anderen zuzuhören. Dann ist es einfacher, mal schnell eine SMS zu schicken oder Sprachnachricht aufzunehmen. Das tut uns und unserem Miteinander aber nicht gut, weil der direkte Austausch verloren geht. Und gesund ist es auch nicht. Dagegen stillen persönliche Kontakte unser Grundbedürfnis, uns zugehörig zu fühlen. Längst ist wissenschaftlich erwiesen, dass solche Kontakte unser seelisches und körperliches Wohlbefinden positiv beeinflussen.
“Wer anderen hilft, hilft sich selbst”
Lisa Federle
Warum ist es so wichtig, dass wir einander zuhören?
Zuhören ist essentiell, weil es eine wichtige Voraussetzung für gut funktionierende Beziehungen ist. Durch Zuhören lernt man, sich in jemanden hineinzuversetzen, seine Welt kennenzulernen und so besser zu verstehen. Man erfährt dabei auch immer etwas für sich selbst.
Welche positiven, gesundheitlichen Effekte übt das Zuhören beim Erzählenden aus?
Geteiltes Leid ist halbes Leid. Es befreit, sich Sorgen und Ängste von der Seele reden zu können und entlastet. Wem aufmerksam zugehört wird, der empfindet Wertschätzung, Anerkennung, Empathie und Verständnis. Das sind Faktoren, die nachweislich die Psyche und Gesundheit stärken. Studien belegen sogar, das achtsames Zuhören beim Erzählenden die Herzfrequenz und den Blutdruck senkt.
Worin besteht denn das Glück beim Zuhören?
Das Glück des Zuhörens besteht darin, dass es einem guttut, sich auf jemanden einzulassen und sich in ihn hineinzuversetzen, um dessen Gedanken und Gefühle nachvollziehen zu können. Damit tut man dem Gegenüber etwas Gutes und hilft ihm. Wer anderen hilft, hilft sich selbst und das bedeutet, dass es einem auch gut geht. Wenn man jemandem aufmerksam zuhört, kann man Toleranz entwickeln – und nicht selten lernt man dabei auch etwas über sich selbst.
Buchtipp:
Lisa Federle, Vom Glück des Zuhörens, 320 Seiten, 22 Euro, Droemer Knaur Verlag
Das ganze Interview mit Lisa Federle und viele weitere Buchempfehlungen finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 6/2023
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bewusster leben 6/2023
7,80 €
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