Was es wirklich braucht, um eine intensive Liebe zu bewahren und gemeinsam zu wachsen.
Viele Menschen denken, dass man nichts weiter für die Liebe tun müsse, dass sie einfach da sei und ein Leben lang bleiben würde. Doch das ist falsch. Es gilt, die Liebe zu pflegen, indem man ihr Raum und Zeit gibt, indem man sie als Geschenk würdigt und ihr dankt, dass sie die Beziehung erfüllt. Und dies nicht einmal pro Jahr oder beim jährlichen Jubiläum des Tages, an dem man sich kennengelernt hat oder am Hochzeitstag. So wertvoll und wichtig diese Rituale sind, so wenig reichen sie aus, um die Liebe am Leben zu erhalten. Wir können auch nicht einmal pro Jahr Luft zum Atmen tanken und dann das ganze Jahr mit diesem Sauerstoff bestreiten, sondern wir atmen alle paar Sekunden. Genauso verhält es sich mit der Liebe. Sie braucht zwar nicht mit jedem Atemzug, aber doch täglich gepflegt zu werden. Es ist wichtig zu realisieren, dass die Liebe zart und zerbrechlich ist, dass man für sie behutsam sorgen muss. Emotionales Commitment ist der Weg dazu.
Der Schlüssel zur Liebe ist das Engagement für die Beziehung. Diese Haltung wird in der Psychologie als Commitment
Guy Bodenmann
bezeichnet. Dabei geht es um das Sich-Festlegen, Sich-Einlassen auf einen anderen Menschen, die täglichen Einzahlungen auf
das Beziehungskonto zur Festigung der Liebe. Sich für die Liebe einzusetzen heißt, sie täglich und unspektakulär zu pflegen.
Bestandsaufnahme: Wo stehen wir?
Wichtig sind Feinfühligkeit, Motivation und Kompetenzen
Doch wie pflegt man die Liebe? Wie kann man etwas Abstraktes pflegen? Die Pflege der Liebe setzt die folgenden Bedingungen voraus: Feinfühligkeit, Motivation und Kompetenzen. Feinfühligkeit bedeutet, dass man die kleinen, fast unmerklichen ersten Anzeichen einer kränkelnden Liebe wahrnimmt. Es gilt, immer wieder innezuhalten und den Zustand der Liebe bei sich und dem Partner zu beobachten, offen für diese Anzeichen zu sein, sie wahrzunehmen und auf sie zu hören. Es gilt, immer wieder das eigene emotionale Commitment und dasjenige des Partners, der Partnerin zu evaluieren. Pflege beginnt bei der Feststellung dessen, was die Liebe braucht, um weiter gedeihen und blühen zu können. Hat man ausreichend Zeit für die Liebe? Nimmt man sich immer wieder exklusive Momente für sie? Fühlt man sich mit dem anderen weiterhin so verbunden wie zu Beginn? Gibt es erste Anzeichen einer Trübung? Woran kann dies liegen? Was muss man ändern, um die Liebe zu erhalten? Was kann ich tun, was der Partner, die Partnerin?
Alles eine Frage der Priorität
Oft sind wir die Opfer unseres Alltags. Wir tragen tapfer die Bürden und Lasten, die das Leben mit sich bringt, stopfen noch eigene Verpflichtungen oben drauf und verlieren uns langsam aber sicher im täglichen Stress. Für emotionalen Austausch bleibt kein Platz, es wird nur noch sachlich und lösungsorientiert interagiert. Man hat keine persönlichen Berührungspunkte mehr außer den Kindern, der kranken Mutter/Schwiegermutter, dem Beruf. Was in beiden vor sich geht, wo sie stehen, was sie umtreibt, darüber auszutauschen fehlt die Zeit. Letztlich ist es eine Frage des emotionalen Commitments, ob man sich trotz einer hohen Belastung Zeit für die Partnerschaft nimmt, ob man eine Nische im vollen Alltag für sie findet. Tut man dies nicht, verwelkt die Liebe. Beide realisieren in ihrem Hamsterrad die Zeichen des Zerfalls nicht. Sie laufen weiter, halten nicht inne, um zu merken, dass es Zeit wäre, sich um die Liebe zu kümmern. Es wäre längst der Moment, dem Treiben Einhalt zu gebieten, sich aktiv und ernsthaft um die Partnerschaft zu bemühen. Häufig gelingt dies nur, indem man andere Aktivitäten reduziert und sich mehr Zeit für die Partnerschaft nimmt.
Es braucht klare Zeichen der Zuneigung
Zweitens braucht es Motivation. Wenn man wahrnimmt, dass man wieder mehr Zeit für die Liebe benötigt, dass es wieder mehr Zeichen der Zuneigung, der Zärtlichkeit, des gegenseitigen Interesses, der Unterstützung und Fürsorge bedarf, dann braucht es die Motivation und die Bereitschaft dazu, die Anstrengung auf sich zu nehmen und diese Handlungen auch auszufuhren, die es zur Pflege der Liebe braucht. Es gilt, sein emotionales Commitment immer wieder neu zu definieren und im Alltag fest zu verankern, dem Partner gegenüber diese spontane, herzliche Offenheit zu bewahren, ihm die Liebe mitzuteilen, sie im Alltag zu leben. Dazu gehört, dem Partner den ersten Platz im Leben einzuräumen. Er ist die wichtigste Bezugsperson, und dies soll ihm auch deutlich gemacht werden. Ihm gegenüber öffnen wir uns, ihn weihen wir in unsere Geheimnisse, Sorgen und Nöte ein.
Guy Bodenmann
Zum Weiterlesen:
Guy Bodenmann, Mit ganzem Herzen lieben, Patmos Verlag, 22 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 5/2023
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