Heile dich selbst

Wie du dich mit deinem inneren Kind aussöhnst, die Vergangenheit loslässt und im Heute glücklich wirst

Eigentlich habe ich das Gefühl, mein Leben ganz gut zu meistern. Doch ab und zu gibt es Momente, die mich aus dem Gleichgewicht bringen. Diese Situationen sind so ärgerlich wie banal. Zum Beispiel kann mich meine Nachbarin auf die Palme bringen: Jeden Donnerstag ermahnt sie mich, dass unser Treppenhaus gereinigt wird und ich die Fußmatte über das Geländer legen soll. Da mein Alltag im Gegensatz zu ihrem überschaubaren Seniorenleben voller Herausforderungen, Terminen und Verpflichtungen besteht, vergesse ich es ab und zu. Dann wird um meine Fußmatte herum gewischt. Ist doch auch kein Weltuntergang! Aber jedes Mal folgt eine Standpauke ihrerseits, und ich werde wütend. Ich hatte es ihr mehrmals erläutert, dass mein Vergessen keine böse Absicht ist, sie ignoriert es und bleibt stoisch bei ihrer wöchentlichen Ansage. Nun, was hat das mit meinem inneren Kind zu tun?

Ich wollte es immer allen recht machen

Sehr viel, denn mich ständig zu Ordnung und Disziplin zu ermahnen mit der Verpflichtung, dem Folge zu leisten, was mir andere sagen, das erinnert mich an meine Kindheit. Meine Sicht, meine Meinung wurde auch damals schon schlicht übergangen. Das sitzt tief. Ich war als Kind angepasst, „brav“, um dieses scheußliche Wort meiner Eltern zu benutzen, ausgesprochen vorsichtig, umsichtig und darauf bedacht, die an mich gestellten Forderungen stets zu erfüllen. Ich wollte es allen recht machen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Das hat meine Antennen nach außen so weit ausfahren lassen, dass ich im Grunde nicht gelernt habe, auf mich zu achten, mich zu schützen und gegebenenfalls zu verteidigen.
Immer wieder war ich auf dem Sprung: Was brauchen die anderen, was wird von mir erwartet, wie kann ich dem entsprechen? In der Kindheit entwickeln sich manche solcher Muster, an denen wir als Erwachsene zu knabbern haben. Um dem auf die Schliche zu kommen, hilft die Beschäftigung mit dem inneren Kind. Was aber ist das innere Kind?

Was ist das innere Kind?

Es ist im Grunde die Stimme für alle tief empfundenen, oft verdrängten Gefühle aus der Kindheit. Häufig sind sie Ausdruck innerer Verletzungen und machen sich als Angst, Verlassenheit oder Wut bemerkbar. Das innere Kind ist also kein Kind an sich, sondern verkörpert sinnbildlich gesehen unsere Muster aus früheren Zeiten, wie wir fühlen, denken, handeln. Im besten Fall handelt es sich um ein Urvertrauen, um ein Fundament, auf dem sich tragende Beziehungen bilden. Wer jedoch Vernachlässigung, Kränkungen, Strenge erlebt hat, ist davon stark geprägt. Auch seelische Verletzungen, wie Entmutigungen, mangelnde Liebe oder fehlende Geborgenheit brennen sich in der kindlichen Seele ein.

Alte Verhaltensmuster erkennen

Die Beschäftigung mit dem inneren Kind und somit der eigenen Kindheit ist wichtig, wenn es darum geht, sich besser zu verstehen, alte Glaubenssätze und Verhaltensmuster zu erkennen. Natürlich gibt es keine perfekte Kindheit, so wie es auch keine perfekten Eltern gibt, und auch unsere Welt, in der wir leben, ist nicht perfekt. Jeder von uns hat einstmals Verletzungen erfahren, selbst wenn die Kindheit in der Erinnerung eine schöne Zeit war. Und jeder von uns trägt sein inneres Kind in sich, das sich bemerkbar macht, wenn wir neidisch, wütend oder traurig sind, uns schuldig, enttäuscht oder erniedrigt fühlen. Oder wie ich, wenn ich von meiner Nachbarin immer wieder ermahnt werde, mich immer wieder rechtfertige, obwohl mir ihre Kritik eigentlich egal sein könnte. Die Nachbarin ist nur ein Beispiel – es kann genauso gut der Chef sein, der einen mit immer mehr Arbeit zuschüttet, die Freundin, die eine Verabredung vergisst oder der Partner, der nicht zuhört. Es gibt viele herausfordernde Situationen.
Birgit Weith

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 5/2023

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