Die Bundesregierung Deutschlands hat die Klimaschutzvorgaben durch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 festgelegt. Es wurde vereinbart, dass die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Im Jahr 2040 gilt ein Minderungsziel von mindestens 88 Prozent. Ab dem Jahr 2050 strebt die Bundesregierung negative Emissionen an.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Wuppertal Institut und das Institut für ZukunftsEnergie und Stoffstromsysteme (IZES) haben kürzlich eine Studie publiziert, laut der die M.E.N.A Region (Middle East and North Africa), also der Nahe Osten und Nordafrika, bei diesen ambitionierten Zielen helfen könnte.
Wasserstoff und E-Fuels aus der M.E.N.A Region
Laut der Studie bietet die wirtschaftlich attraktive Produktionsbedingungen für Wasserstoff und E-Fuels. In den Kostenkalkulationen sind neben den erneuerbaren Energieträgern auch Investitionsgefahren ein bedeutender Faktor. Diese hängen eng mit einer Vielzahl von Kontextfaktoren in potenziellen Exportnationen
„Unabhängig von den reinen Kostengrößen spielt die Planungssicherheit für Investoren eine zentrale Rolle. Es kommt daher darauf an, dass langfristige stabile politische Rahmenbedingungen für einen Markt von grünem Wasserstoff sowie synthetischen Folgeprodukten geschaffen werden. Gleichzeitig spielen politische Stabilität und Investitionsrahmenbedingungen in den potenziellen Produzentenländern der M.E.N.A Region eine entscheidende Rolle“, erklärt Dr. Peter Viebahn, Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien am Wuppertal Institut und Leiter der MENA-Fuels-Studie.
Hochauflösende Analyse der M.E.N.A Region
Im Rahmen der Untersuchung führte das Forschungsteam erstmals eine detaillierte Analyse der gesamten M.E.N.A Region durch. Dabei wurde das Gebiet in zahlreiche kleinere Segmente zerlegt und jedes davon individuell beurteilt. Eine weitere Neuheit dieser Studie liegt in der umfassenden Modellierung der Produktionskette für synthetische Kraftstoffe, die in die Kalkulationen einbezogen wurde.
Auch Aspekte der Energiespeicherung und Wasserstoffspeicherung wurden berücksichtigt, da sie zur Stabilität und wirtschaftlichen Effizienz eines Systems, das auf erneuerbaren und somit volatilen Ressourcen basiert, beitragen. Im Unterschied zu anderen Untersuchungen verknüpft M.E.N.A. Fuels technologische und wirtschaftliche Faktoren mit der Beurteilung spezifischer Länderrisiken für alle 17 in der Region untersuchten Länder. Hierbei wurden Analysen der Ressourcen, der politischen Bedingungen sowie der Investitionsrahmenbedingungen miteinbezogen.
„Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor – als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, so Jürgen Kern, Projektleiter für die Studie beim DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme.
Große Erzeugungspotenziale für erneuerbaren Energien
Die M.E.N.A Region verfügen mit einer Gesamtleistung von über 400.000 Terrawattstunden pro Jahr über ein gewaltiges Potenzial zur Generierung erneuerbarer Energien. Dies gilt insbesondere für die Gewinnung von Solarstrom mittels Fotovoltaik und konzentrierter Solarenergie, bekannt als CSP. Äquivalent dazu sind die Möglichkeiten zur Produktion von Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen beeindruckend. Selbst wenn man den künftigen Eigenverbrauch der M.E.N.A. Nationen im Zuge der vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien berücksichtigt, bleibt das Potenzial immens. Je nach angenommenem Entwicklungsszenario – ob pessimistisch, konservativ oder optimistisch – könnte das Exportpotenzial den Bedarf Deutschlands an synthetischen Brennstoffen um das 60- bis 1.200-Fache übersteigen.
Kostengünstige E-Fuels aus der M.E.N.A Region
Fast alle Länder der M.E.N.A Region verfügen über erhebliche Möglichkeiten zur kosteneffizienten Produktion synthetischer Treibstoffe. An den optimalen Standorten könnten die Produktionskosten im Jahr 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro pro Liter und im Jahr 2050 zwischen 1,22 und 1,65 Euro pro Liter liegen. Diese Prognosen basieren auf mittleren Investitionskosten und der Annahme günstiger Investitionsbedingungen.
Selbst unter ungünstigen Investitionsbedingungen könnte das Exportpotenzial von synthetischen Treibstoffen, deren Herstellungskosten unter zwei Euro pro Liter liegen, im Jahr 2050 rund 28.000 Terrawattstunden erreichen. Die Hauptquellen dafür wären vornehmlich Länder mit guten technischen Möglichkeiten und stabilen Verhältnissen. Bei positiven Investitionsbedingungen könnte das Exportpotenzial auf mehr als 50.000 Terrawattstunden pro Jahr ansteigen.
Umfassender Ausbau der erneuerbaren Energien nötig
Eine grundlegende Bedingung für den Export synthetischer Brennstoffe in jedem Szenario ist der umfangreiche Ausbau erneuerbarer Energien in der M.E.N.A Region selbst. Die Prognosen für die Erzeugungskapazitäten von Solar- und Windenergie für eine vollständig erneuerbare Versorgung bis 2050 variieren zwischen 4.500 und 9.000 Gigawatt.
Momentan sind solche Kapazitäten und die dafür notwendige Expansionsdynamik noch nicht in den Ausbauzielen der meisten M.E.N.A. Länder berücksichtigt. Neben dem Aufbau der Produktionskapazitäten für synthetische Brennstoffe in industriellem Umfang müsste also auch der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich verstärkt werden. Im Idealfall würden sich inländische Versorgung und Export wechselseitig fördern und verstärken.