Dauerstress beeinträchtigt unsere Gesundheit und auch den Ablauf der weiblichen Menstruation. Wer Zyklusstörungen kennt, ist damit aber nicht allein. Die Psychologin Helen Ergeç erklärt, wie der Körper wieder in sein natürliches Gleichgewicht findet
Wir leben in einer Welt, die immer höhere Anforderungen an Frauen stellt. Egal ob Stress am Arbeitsplatz, ein übervoller Terminkalender oder Beziehungsprobleme. Eine erfolgreiche Frau zu sein bedeutet unendliche Energie zu haben, alle Verpflichtungen mit scheinbarer Leichtigkeit zu jonglieren und dabei auch noch gut auszusehen. Außerdem gehört es quasi zum guten Ton, einen „gesunden Lifestyle“ zu haben. Da stellt sich die Frage: Wie soll frau das alles schaffen? Fest steht: Diesem Ideal zu entsprechen, bedeutet vor allem eins: Dauerstress.
Davon kann ich selbst auch ein Lied singen: Jahrelang habe ich genau das versucht – und von außen betrachtet, sah es sicher auch so aus, als wäre ich ziemlich erfolgreich damit. Tatsächlich habe ich aber unter allen möglichen Zyklusstörungen bis hin zum Ausbleiben meiner Periode (Hypothalamische Amenorrhö) gelitten. Ich war gut darin, diszipliniert zu sein, mich „gesund“ zu ernähren und besonders viel zu leisten – aber wirklich auf meinen Körper zu hören und echte Selbstfürsorge zu betreiben, fiel mir schwer.
Den Fluss der Energie verlangsamen
Im Grunde wusste ich, dass ich wohl nicht so gesund sein konnte, wie es vielleicht wirkte, denn ein entscheidender Teil meiner weiblichen Gesundheit war ja eindeutig angeschlagen. Eine Weile lang habe ich das auch versucht zu ignorieren, aber je mehr ich mich durch meine Ausbildungen mit östlichen Philosophien wie Yoga und Traditioneller Chinesischer Medizin beschäftigte, desto klarer wurde mir, dass ich etwas in meinem Leben verändern musste.
Dem östlichen Verständnis nach ist das Bild einer energetischen Person ein der westlichen Perspektive komplementäres: Es bedeutet, mit der eigenen Energie sinnvoll hauszuhalten, statt sie zu verschleudern. Dabei wird versucht, die Atmung und damit den Fluss der Energie zu verlangsamen und zu stärken, um so eine bessere Lebensqualität zu erreichen und uns eine längere Lebensdauer zu ermöglichen. Es geht also darum eine innere Balance und Harmonie im Körper zu schaffen, statt ihn ständig an sein Limit zu bringen und zu immer mehr Leistungsfähigkeit anzutreiben.
Unser inneres Gleichgewicht: Das vegetative Nervensystem
Das macht auch aus Sicht der evidenzbasierten Medizin Sinn. Das vegetative Körpersystem, das die unwillkürlichen, lebenswichtigen Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Stoffwechsel und auch reproduktive Funktionen reguliert, lässt sich in Sympathikus und Parasympathikus einteilen. Der Sympathikus macht den Körper leistungsbereit und bringt ihn in den sogenannten „Fight-or-Flight-Modus“. Der Parasympathikus steuert die Entspannungsreaktion. Stresshormone werden so vor allem durch den Sympathikus, das Yang- oder auch Sonnenprinzip, Sexualhormone durch den Parasympathikus, das Yin- oder Mondprinzip ausgeschüttet.
Die Hormonsysteme hängen dabei eng zusammen: Sowohl die sogenannte „Stressachse“ als auch die Sexualhormon-Produktion haben ihren Ursprung im Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, und lösen über Aktivierungsketten in der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) in der Nebennierenrinde und den Eierstöcken die Ausschüttung von entsprechenden Hormonen aus. Die Systeme verlaufen also in großen Teilen parallel und bedingen sich so auch gegenseitig.
Ungleichgewicht im Körper: Zyklusstörungen
Im Idealfall befindet sich der Körper in einem Gleichgewicht. Sympathikus und Parasympathikus funktionieren in einem ausgeglichenen Verhältnis und unterstützen sich gegenseitig in ihrem gesunden Funktionieren. Im weiblichen Körper ist ein regelmäßiger weiblicher Zyklus ein wichtiger Indikator für bestehende Harmonie im System. Nicht ohne Grund wird der Zyklus als fünftes Vitalzeichen (neben Atmung, Herztätigkeit, Bewusstsein und Körpertemperatur) bezeichnet. Aber was, wenn dieses empfindliche Gleichgewicht gestört wird?
Zum Weiterlesen: Helen Ergeç, Cycle of Life, Windpferd Verlag, 20 Euro
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