Mit grünen Geldanlagen die Welt retten – wollen wir das nicht alle? Doch so einfach ist es leider nicht. Jedes Investment hat eine unterschiedliche Wirkung. Möchten Sie ein grünes Gewissen haben, nichts Böses mit Ihrem Geld finanzieren oder eine echte und messbare Wirkung erzielen? Die Finanz-Expertin Jennifer Brockerhoff gibt Tipps.
Das Thema Nachhaltigkeit ist inzwischen auch aus der Finanzwelt nicht mehr wegzudenken und hat den Mainstream erreicht. Bis vor Kurzem noch herrschte das Henne-Ei-Problem: Fragte man Bankkunden, warum sie keine grüne Investments im Depot haben, antworteten sie, dass ihr Bankberater eben keine angeboten habe. Fragte man wiederum den Berater, warum keine nachhaltigen Finanzprodukte angeboten wurden, erwiderte dieser, dass die KundInnen nicht danach gefragt hätten. Doch damit ist jetzt endgültig Schluss. Denn neben der wachsenden Popularität und Nachfrage nach Investments, die ökologische und ethische Aspekte berücksichtigen, müssen FinanzberaterInnen ab dem 2. August 2022 generell die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer KundInnen abfragen. So lautet ein neues Gesetz, das unter anderem auf der EU-Taxonomie-Verordnung fußt.
Es gibt sie: Die Öko-Pioniere der Finanzbranche
Apropos Taxonomie: War da nicht vor kurzem etwas zum Thema Atomkraft und Gas? Tatsächlich zündete die EU-Kommission zum Jahreswechsel 2022 eine Rakete der besonderen Art: Sind doch genau diese beiden fragwürdigen Energiequellen vor kurzem von dem EU-Parlament zu nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten deklariert worden.
Anders ausgedrückt: Pommes gehen jetzt als Salat durch! So ärgerlich diese politische Entscheidung auch ist, so ist noch kein Weltuntergang für nachhaltige AnlegerInnen. Denn schon vor diesem Beschluss gab es viele Anbieter von dunkelgrünen Finanzprodukten, die Atomkraft und fossiles Gas nach wie vor nicht als nachhaltig betrachteten. Und das sind die echten Öko-Pioniere der Finanzbranche. Dazu gehören einerseits Geldinstitute wie die GLS Bank in Bochum, die bereits 1974 gegründet wurde. Weitere grüne Banken sind die UmweltBank, die Triodos Bank, die Styler Ethik-Bank oder auch die EthikBank. Besonders digitalaffine Anleger erfreuen sich an den FinTech Tomorrow. Diese Kreditinstitute besitzen eine grüne DNA und unterscheiden sich insofern von konventionellen Banken, weil sie ethisch-ökologische Geschäftsmodelle verfolgen. Sie fördern explizit soziale Projekte, eine ökologische Landwirtschaft, erneuerbare Energien, Kultur und Bildung sowie umweltfreundliche Immobilienprojekte. Ein Kontowechsel ist heutzutage mit wenig Aufwand verbunden und eine schnelle und risikolose Art, eine positive Wirkung zu erzielen. Denn jede Geldanlage hat eine Wirkung – und das betrifft auch das Guthaben auf dem Girokonto.
Achtung, Greenwashing!
Dem alten Geschäftsmodell und den alten Produkten ein grünes Mäntelchen umhängen und mit gezielten Marketing- und Webemaßnahmen gutmütige Verbraucher täuschen – das ist es, was Greenwashing meint. Gerne werden hierfür nicht geschützte Begriffe wie „nachhaltig“, „ökologisch“, „100% natürliche Zutaten“ oder „klimafreundlich“ verwendet. Sicherlich sind wir alle schon einmal auf so eine Produktbezeichnung hereingefallen. Wie steht es mit der Transparenz des angebotenen Produktes? Werden eher hübsche Bilder und Videos präsentiert als klare und nachvollziehbare Fakten?
Außerdem ist es immer hilfreich, auf das Hauptgeschäft des Anbieters zu schauen. Wenig glaubwürdig ist es, wenn zum Beispiel ein konventioneller Fleisch- Mode- oder Kosmetikhersteller nun damit wirbt, an Baumpflanzaktionen teilzunehmen, statt das eigene Geschäftsmodell nachhaltiger auszurichten.
Geprüfte Siegel für nachhaltige Geldanlagen
Greenwashing kann außerdem daran erkannt werden, ob eigene Siegel werbewirksam angepriesen werden. Diese sollen das Gefühl vermitteln, es handele sich um geprüfte und vertrauenswürdige Qualität. In Deutschland soll es über 700 mehr oder minder seriöse Testveranstalter geben. Mitunter sind auch Siegel zu Finanzprodukten mit dabei. Seriöse Anbieter erkennt man meist daran, dass sie offen und transparent über den Vergabeprozess, das Audit und die möglichen Kosten eines Siegels berichten können.
Wichtig: Es gibt neun etablierte europäische Siegel für nachhaltige Geldanlagen:
· Umweltzeichen (Österreich)
· FNG-Siegel (DACH-Region)
· Towards Sustainability (Belgien)
· SRI Label (Frankreich)
· Greenfin (Frankreich)
· Nordic Swan
(skandinavische Länder)
· LuxFLAG ESG (Luxemburg)
· LuxFLAG Climate Finance (Luxemburg)
· LuxFlag Environment
(Luxemburg)
Jennifer Brockerhoff ist seit 20 Jahren als Finanzberaterin tätig. Sie ist selbstständige Fachberaterin für nachhaltiges Investment und engagiert sich beruflich sowie privat für ein Umdenken und Umlenken von Finanzströmen im Finanzwesen. Die Idee zu ihrem Buch „Grüne Finanzen“ entstand aus vielen Kundengesprächen, die ihr gezeigt haben, wie schwer es fällt, in das Thema einzusteigen.
Zum Weiterlesen:
Jennifer Brockerhoff, Grüne Finanzen, Oekom Verlag
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 5/2022
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