So schade es ist, wenn wir etwas verpassen, bei dem wir gerne dabei gewesen wären, so schön kann es sein, wenn es manchmal einfach nicht geht. Die Freude darüber nennt sich „Joy of missing out“ (kurz: Jomo). Darum geht es in Folge 2 unseres GLÜCKSTRAININGS, in der uns die „Glücksministerin“ Gina Schöler die Kunst des bewussten Verzichtens, Absagens und Genießens nahelegt.
Mit einer guten Freundin philosophierte ich neulich mitten in der Woche in der Sauna sitzend über das Leben. Welche Entscheidungen haben wir wann und weshalb getroffen und welche Wege haben wir eingeschlagen? Verrückt, wenn man sich überlegt, welche Mikro-Momente unser Leben prägten und entscheidend waren, wie es dann weiterging. Und gleichzeitig kommt rückblickend etwas Wehmut auf, wenn man sich konkret vor Augen führt, welche zigtausend Möglichkeiten noch auf einen hätten warten können, hätte man doch dies oder jenes anders gemacht oder ausprobiert. Kurz bevor wir uns in diesem gedanklichen Kreislauf verloren hatten, schauten wir uns an und kamen gleichzeitig zum selben Schluss: Es ist alles gut so wie es ist.
Es gehört zum Leben, dass wir Dinge verpassen und Chancen an uns vorbeiziehen. Um entspannt und glücklich zu leben, dürfen wir lernen, das zu akzeptieren und gelassen damit umzugehen. Das ist wahrlich nicht leicht, denn wir leben in unglaublich rasanten Zeiten – alles immer und sofort, flüchtig und unverbindlich. Wir meinen, ständig präsent sein und leisten zu müssen. Dabei kann es so guttun, bewusst Dinge zu verpassen!
Wir müssen nicht immer und überall dabei sein
Soziale Trends wie „Fomo“ (Fear of missing out) – also die Angst, etwas zu verpassen, die Unruhe, die sich breitmacht, wenn wir uns überlegen, was noch alles möglich wäre – kommen nicht von ungefähr. Hinter jedem Klick könnte die große Liebe, der noch bessere Job oder eine coole Party lauern. Wir sind bestens vernetzt und mobil – klar steht uns die Welt offen, aber genau das eröffnet Möglichkeiten, mit denen wir manchmal gar nicht klar kommen können oder wollen. Denn es liegt in unserer Natur, uns auch mal zurückzuziehen, auszuruhen, nichts zu tun; nur haben wir das verlernt oder gestehen es uns nicht mehr (genug) ein und das hat Nebenwirkungen. Nach und nach geraten wir aus der Balance, sind unruhig, gestresst, unsicher und fühlen uns orientierungslos: Wer sind wir überhaupt und wohin geht die Reise?
Um sich dessen wieder bewusst(er) zu werden, brauchen wir Stillstand und Ruhe. Damit sich alles sortieren kann, damit wir Erkenntnisse aus Erfahrungen ziehen und daraus lernen können. Um Ideen zu haben, die Batterie aufzuladen und das langsame Leben wieder genießen zu lernen. Wir sind eben Human Beings und keine Human Doings. Unser Nervensystem und somit unsere “Datenverarbeitung” kommt gar nicht so schnell mit, wie sich unsere Welt dreht. Deshalb gilt es öfter mal den Pause-Knopf zu drücken und herzhaft “Jomo” („Joy of missing out“) zu praktizieren, welches die Freude am Verpassen beschreibt. Einfach das genießen, was man gerade macht, ohne sich dabei zu fragen, was man gleichzeitig in dem Moment verpasst oder und was man stattdessen tun könnte.
Gina Schöler leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“. Sie ist europaweit unterwegs, um zu ermutigen, das gute Leben selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsam das Bruttonationalglück zu steigern. Ihr geht es darum, Mut zu machen, zu inspirieren und mit gutem Beispiel voranzugehen – zukunftsgewandt und optimistisch.
Zum Vertiefen: Gina Schöler, Glück doch mal! Das kreative Workbook, Groh Verlag, 15 Euro.
Den ganzen Beitrag finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 6/2021 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten
bewusster leben 6/2021
6,80 €
(November/Dezember 2021)