Haben Sie manchmal den Verdacht, Ihr Partner könnte ein Narzisst sein, sind sich aber einfach nicht sicher? Trennungscoach Dr. Annette Oschmann erklärt, woran Sie eine toxische Beziehung erkennen und warum eine Trennung manchmal der einzig richtige Weg ist.
Das erste wichtige Warnsignal für eine toxische Beziehung ist ein untrügliches ungutes Gefühl. Sie fahren regelmäßig emotional Achterbahn, haben kein geborgenes Zuhause in Ihrer Beziehung, empfangen keine zugeneigte, wohlwollende Liebe. Ihr Partner kontrolliert Sie ständig: viele Fragen, Anrufe, Nachrichten, Stalken, sogar durch GPS oder Spy-Apps. Übermäßige Kontrolle ist kein Zeichen besonders großer Liebe, sondern ein Indiz, dass etwas nicht stimmt. Versucht Ihr Partner, Sie zu isolieren? Ihr Freundeskreis oder Ihre Familie gefallen ihm nicht, er hat an jedem etwas auszusetzen?
Wenn Sie angeblich an allem schuld sind
Nach und nach gehen Ihnen Ihre Kontakte verloren. Und angeblich sind Sie an allem schuld. Ihr Partner wirft Ihnen dauernd vor, dass Sie das Problem sind und sich nur ändern müssten, damit alles besser wird. Und tatsächlich suchen Sie immer zuerst die Schuld bei sich, geben sich noch mehr Mühe, aber es reicht aus Sicht Ihres Partners nie: Sie „verstehen ihn nicht“ und machen ihn angeblich mit Ihrer Art kaputt. Schließlich ist Ihre Beziehung oft eine On-Off-Beziehung. Sie erleben ständige Kontaktabbrüche, mal aus heiterem Himmel oder weil Sie angeblich „etwas falsch gemacht haben“. Und dann nimmt er doch wieder Kontakt auf und beschwört Ihre „besondere Liebe“.
Wenn Vieles von dem Gesagten auf Sie zutrifft, dann erleben Sie toxische, also vergiftete Kommunikation in Ihrer Beziehung. Oft noch ergänzt durch Beschimpfungen, Beleidigungen oder emotionale Erpressung.
Trennung ja oder nein?
In einer toxischen Beziehung bestehen unsichtbare innere Bindungen zwischen den Partnern, die auf Manipulation und einem meist geringen Selbstwertgefühl der Betroffenen beruhen. Deshalb überlegen viele Partnerinnen narzisstischer Männer ernsthaft, ob sie die Beziehung nicht doch retten können. Aus meiner Erfahrung gelingt das nur ausnahmsweise, wenn der Narzissmus nur gering ausgeprägt ist und der narzisstische Partner noch die Fähigkeit zu Selbstreflexion und innerer Entwicklung besitzt.
Wenn Sie sich aber in Ihrer Partnerschaft dauerhaft nicht wohlfühlen, keinen Respekt und keine Wertschätzung erfahren oder immer wieder gedemütigt werden, führt in der Regel an einer Trennung kein Weg vorbei. Nur dann haben Sie wieder die Chance auf ein erfülltes, glückliches Leben.
Das gilt besonders, wenn Sie bei sich psychosomatische Erscheinungen feststellen wie Schlafstörungen, Haarausfall, Magersucht, Ohnmachtsanfälle, Kopf- oder Rückenschmerzen. Das sollte alles medizinisch abgeklärt werden, wurzelt aber oft auch in Ihrer toxischen Beziehung.
Lernen Sie, innerlich loszulassen
Bei allem Elend, das Sie in Ihrer toxischen Partnerschaft erleben, ist die Trennung extrem schwer und ein echter Kraftakt. Viele haben das Gefühl, das sei nicht richtig oder sie hätten zu früh aufgegeben.
Der erste Schritt, eine solche Trennung durchzustehen, ist daher, dass Sie zu sich selbst kommen. Ihr Selbstwertgefühl und Ihre Selbstliebe müssen neu entdeckt und gestärkt werden, und Sie sollten ein gutes Gefühl für gesunde eigene Grenzen entwickeln. In einem zweiten Schritt geht es darum, dass Sie lernen, den Narzissten innerlich wirklich loszulassen. Das ist besonders schwierig und erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit der Situation.
Schließlich geht es um den künftigen Kontakt zu Ihrem narzisstischen Ex-Partner. Wenn Sie keine Kinder haben, hat sich die „Kein-Kontakt-Regel“ bewährt. Wenn Sie Kinder haben, ist oft der Kontakt zum Narzissten nicht vermeidbar. Dann gilt es, Regeln für eine klare, konfliktarme Kommunikation zu befolgen.
Vorbild für die Kinder
In einer solchen besonderen Trennung helfen Sie Ihren Kindern am meisten, wenn Sie stabil bei sich sind. Nur dann können Sie gut für sich selbst und Ihre Kinder sorgen. Gesunde Grenzen und eine möglichst konfliktarme Kommunikation mit dem Ex helfen auch Ihren Kindern: Sie lernen durch Ihr Vorbild.
Ideal wäre es schließlich, wenn Sie Ihren Kindern mit einer Extraportion Empathie und Zuneigung, Neugierde und entspannter Gelassenheit begegnen, um etwaige Defizite durch ein narzisstisches, manipulatives Elternteil auszugleichen.
Dr. Annette Oschmann war 2018 die erste praktizierende Coach für Conscious Uncoupling („Bewusste Trennung“) in Deutschland. In ihrer Arbeit als Trennungscoach hat die promovierte Juristin und Mediatorin ihre wahre Berufung gefunden. Sie hat eine erfolgreiche Praxis für Trennungscoaching aufgebaut, mit einem Schwerpunkt auf dem Einzelcoaching bei der Trennung von narzisstischen Partnern. Hierzu veröffentlicht sie auch regelmäßig Beiträge. Annette Oschmann coacht persönlich und per Videocall. Sie lebt in Essen, ist verheiratet und
Mutter dreier Söhne.
Mehr Informationen unter:
www.annette-oschmann.de