Slow Life statt Hektik

Das Leben macht Spaß, doch es stresst auch. Besonders in der Stadt. Hektik, Lärm und Gedränge zehren an unseren Nerven. Wie können wir inmitten von Menschenmassen und Verkehrschaos unser inneres Gleichgewicht bewahren? Wir zeigen, dass man trotz ständiger Reizüberflutung gelassen und achtsam bleiben kann.

Seit jeher sind die Städte Orte der Sehnsucht und der Hoffnung. Orte, an denen die Träume erblühen. Liebeslieder wurden ihnen komponiert, cineastische Liebeserklärungen gemacht, Liebesgedichte geschrieben und große Romane der Weltliteratur sind ihnen gewidmet. Städte inspirieren, vitalisieren, irritieren und provozieren. Doch neben all den Freuden und Vergnügungen, die sie ihren Bewohnern und Besuchern bieten, tun sie vor allem auch eins: Sie stressen! In der Großstadt kommen viele Faktoren zusammen, die Stress auslösen: der überfüllte Bus, in dem wir auf der Fahrt zur Arbeit keinen Sitzplatz finden, der Lärm des Straßenverkehrs um uns herum, die hetzenden Menschen in der Fußgängerzone, das Anstehen in der Supermarktschlange nach einem langen Arbeitstag, der Stau, in dem wir mit dem Auto feststecken, riskante Situationen, denen wir beim Radeln ausgesetzt sind.

Achtsamkeit im Großstadtdschungel

Stress versetzt unseren Körper in Alarmbereitschaft. Wir wollen fliehen oder kämpfen. Ersteres können wir in der Enge der Menge meist nicht und letzteres geziemt sich nicht. Unser Körper reagiert aber trotzdem und schüttet Stresshormone aus, die er für Flucht oder Kampf benötigt: der Blutdruck steigt, das Herz rast, der Adrenalinspiegel steigt. Die Folgen sind Nervosität, Anspannung, Aggression und Angst. Es kann sogar zu chronischen Stresssymptomen wie Müdigkeit, Energiemangel, Überforderung, Depressionen und Schlafprobleme kommen. Soweit aber muss es aber erst gar nicht kommen.

Übungen: Erste-Hilfe bei Stress

1. Sich Beruhigen:
Mit einigen tiefen Atemzügen ­signalisieren Sie Ihrem Gehirn, dass es aus dem Stressmodus aussteigen und in den Ruhemodus eintreten kann. Einige bewusste Atemzüge können Sie sich überall und jederzeit gönnen. Gerade an den Stoppstellen des Stadtalltags, die einen normalerweise mit Ungeduld und Nervosität erfüllen. An der roten Ampel ebenso wie in der Supermarktschlange oder beim Warten auf den Bus. Machen Sie sich bewusst: Der Atem ist Ihr verlässlicher Begleiter durch den Stadtstress. Mit ihm können Sie sich jederzeit stabilisieren und innerlich zentrieren, wenn Sie aus dem Gleichgewicht geraten.

2. Druck ablassen:
Wenn Sie spüren, dass Sie wie ein Dampfkessel unter Stress geraten, dann lassen Sie als erstes Druck ab. Atmen Sie achtsam ein und lassen Sie beim Ausatmen die Luft durch Ihre gespitzten Lippen mit einem Pfeiflaut ausströmen. Schon nach wenigen Atemzügen können Sie den erleichternden Effekt spüren.

Alles wird immer schneller

Der Pulsschlag der Stadt hat eine hohe Frequenz. Solange wir mit dem Tempo mithalten können, laufen wir beschwingt und voller Tatendrang durch die Straßen. An manchen Tagen aber scheint die Stadt einfach zu schnell zu schwingen. Jeder beeilt sich, hastet zum nächsten Termin, hetzt zur Arbeit. Wenn Sie das Gefühl überkommt, sich in einem Wettlauf mit der Zeit zu befinden, ist Entschleunigung angesagt. Ja, die Welt scheint sich immer schneller zu drehen. Und in der Stadt dreht sie sich sogar noch einen Zacken schneller. Doch egal, wie sehr Sie sich auch hetzen: Den Wettlauf gegen die Großstadt können Sie nicht gewinnen. Sie werden nur immer gestresster und geraten außer Atem. Genau das aber verschärft den Stress und macht Sie noch nervöser und hibbeliger.

Übungen: Erste Hilfe bei Hektik

1. Einen Gang herunterschalten:
Halten Sie bewusst einen Moment inne und nehmen Sie das Tempo raus. Stellen Sie sich vor, dass Sie wie in einem Auto einen Gang herunterschalten und den Fuß vom Gaspedal nehmen. Richten Sie dabei die Aufmerksamkeit auf Ihren Atem. In der Hektik atmen wir meist flach und schnell, was unseren inneren Stress noch verschärft. Nehmen Sie fünf tiefe und langsame Atemzüge, um aus dem Stressmodus auszusteigen.

2. Anker auswerfen:
Wenn Sie spüren, dass Sie vor lauter Hektik und Zeitdruck den Boden unter den Füßen verlieren und wie ein steuerloser Ozeandampfer durch die Straßen schippern, werfen Sie einen Anker aus. Drücken Sie die Füße fest auf den Boden. Spüren Sie Ihre Fußsohlen auf dem Boden. So erden Sie sich, sichern Ihren Stand und stabilisieren sich innerlich.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Wie oft hetzen wir ohne nach rechts oder links zu blicken durch die Straßen der Stadt. Wie wäre es, wenn wir diese mal wieder mit offenen Sinnen und ohne Ziel und Zweck durchstreifen würden? Schlendern statt sprinten? Die Kunst des Flanierens wiederentdecken? Das Zu-Fuß-gehen ist immer noch die wirksamste Methode der Entschleunigung. Im Gehen widersetzen wir uns der modernen Obsession der Geschwindigkeit. Und nichts vermag unser Alltagstempo effektiver zu drosseln als ein achtsamer Spaziergang durch die Straßen der Stadt. Das Gehen macht zugleich den Körper wacher, den Geist klarer und öffnet damit unsere Aufmerksamkeit für die urbane Landschaft um uns herum.

Übung: Achtsames Flanieren

• Nehmen Sie sich Zeit für einen Flaniergang und lassen Sie sich ohne Eile durch die Straßen treiben.
• Folgen Sie Ihren Impulsen und erkunden Sie die großen Plätze ebenso wie die verwinkelten Gassen.
• Nehmen Sie die Details wahr, die schönen Fassaden und deren Risse und Brüche und die kleine Blume im Rinnstein.
• Schenken Sie dem Unbedeutenden ebenso Aufmerksamkeit wie dem Spektakulären.
• Öffnen Sie sich Ihrer Umgebung mit allen Sinnen. Seien Sie ganz gegenwärtig. Lauschen Sie, riechen Sie, lassen Sie Ihren Blick aufmerksam schweifen. Sammeln Sie Eindrücke.

Christa Spannbauer

Den ganzen Artikel von Christa Spannbauer finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 3/2019

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